Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Eine fulminante, letztendlich tragische Liebesgeschichte von schaurig-schöner Schwermut hat der französische Regisseur Jean-Jacques Beineix mit Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen nach dem erfolgreichen Roman 37,2° le matin von Philippe Djian aus dem Jahre 1985 inszeniert. Mittlerweile hat die Geschichte dieser jungen, gleichermaßen bezaubernden und kompromisslosen Frau, die nicht nur in erotischer Hinsicht explosiv ist, Kultstatus erreicht. Mit farbenprächtigen, ausdrucksstarken Bildern, stimmungsvoller Musik und einer geradezu über sich hinauswachsenden, grandiosen Béatrice Dalle als Hauptdarstellerin entsteht hier die feinfühlige Betrachtung einer ungefälligen, kämpferischen Frauenfigur, die auf der Suche nach einer unspezifischen Größe ist, die wahrscheinlich gar nicht existiert.
Auf den ersten Blick erscheint Zorg (Jean-Hugues Anglade), der die Geschichte aus dem Off dicht an der literarischen Vorlage entlang erzählt, als Mann von schlichtem Gemüt mit ebensolchen Bedürfnissen, der als Gelegenheitshandwerker in einer Ferienhaussiedlung an der französischen Küste seine bescheidene Existenz fristet. Auch in der schwelenden Hitze des Sommers schätzt er ein gutes Chilli und abends einen kräftigen Drink, und wenn es ihn überkommt, hält er seine Gedanken in umfangreichen Notizen fest. Mit der blutjungen, herausfordernd sexy erscheinenden Betty (Béatrice Dalle) rauscht eine Frau in sein Leben, die mit ihrem unbeherrschten Charakter allzu rasch überall dort aneckt, wo sie auch nur den geringsten Widerstand wittert, was sogleich auch den friedfertigen Zorg in Mitleidenschaft zieht. Doch zwischen den beiden entwickelt sich bald eine intensive Bindung mit höchst erotischer Anziehung, und Zorg ist stets zur Stelle, um zu retten, was zu retten ist, wenn Betty mit ihren wilden Eskapaden wieder einmal über die Stränge schlägt.

Schließlich übernimmt das Paar ein kleines Klaviergeschäft in der Provinz, freundet sich mit den Nachbarn an und es sieht ganz so aus, als würden sie hier schließlich zur Ruhe kommen. Als Betty allerdings Zorgs schriftstellerische Umtriebe entdeckt, wird sie von der quälenden Obsession getrieben, einen Verlag für ihn zu finden, und jede Absage stürzt sie in eine übellaunige Krise, der auch schon mal ein ignoranter Lektor zum Opfer fällt. Dann jedoch wird Betty schwanger, und mit der Aussicht auf ein Kind scheint sie endlich ihr Glück gefunden zu haben …

Mit ergreifender Melancholie gelingt es Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen, die bewegende Atmosphäre des Romans um die erschütternde Tragik einer großen Liebe filmisch wunderbar umzusetzen. Als Bester fremdsprachiger Film wurde Jean-Jacques Beineix’ dritter Spielfilm nach Diva (1981) und La lune dans le caniveau / Der Mond in der Gosse (1983) für einen Oscar in Betracht gezogen und ebenfalls für einen Golden Globe, einen BAFTA Award sowie neun Césars nominiert, wobei er letztlich nur jenen für das Beste Filmplakat gewann, aber unter anderem auf den Filmfestivals von Montréal und Seattle prämiert wurde. Die Wucht der existentiell-abgründigen und dabei so schlicht erscheinenden philosophischen Betrachtungen Philippe Djians über Liebe, Schmerz und Leidenschaft münden bei diesem unaufgeregt stimmigen Film in eine berührende Visualität mit elegischen Qualitäten, die zugleich Verzweiflung und Trost versprüht – ein anregender emotionaler Keulenschlag mit einem Finale, dessen Blues noch lange nachwirkt.

Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen

Eine fulminante, letztendlich tragische Liebesgeschichte von schaurig-schöner Schwermut hat der französische Regisseur Jean-Jacques Beineix mit „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“ nach dem erfolgreichen Roman „37,2° le matin“ von Philippe Djian aus dem Jahre 1985 inszeniert.
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