Andula - Besuch in einem anderen Leben

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Das letzte Lustspiel der Anna Letenská

Innerhalb des Schreckensuniversums der Herrschaft der Nationalsozialisten gab es immer wieder unzählige Menschen, die durch die grausamen Machtstrukturen dieser Zeiten in ganz besonders absurde, bedrohliche Situationen katapultiert wurden. Dies war auch das Schicksal der populären Prager Schauspielerin Anna Letenská, genannt Andula: Im Sommer 1942 spielt sie eine unverzichtbare Rolle in einer Komödie, während die Nazis im besetzten Land bereits ihre Deportation in ein Konzentrationslager planen – aber erst, wenn der strategische Film zur harmlosen Volksunterhaltung abgedreht ist.
Als im September 1941 der Chef des deutschen Reichssicherheitshauptamts Reinhard Heydrich in Prag die Position des „Stellvertretenden Reichsprotektors von Böhmen und Mähre“ einnimmt, gerät auch die tschechische Filmindustrie unter die Kontrolle der Nazis. Da der Widerstand der Bevölkerung gegen diese Herrschaft stetig anwächst, werden unterhaltsame, leichte Lustspielproduktionen gefördert, um der angespannten Atmosphäre mit einem trügerischen Anschein von Sorglosigkeit zu begegnen – ein gängiges Instrument des Propagandaapparates, das in dieser Form auch in Deutschland zum Einsatz kam.

In diesem Zusammenhang wird auch die Komödie Ich komme gleich / Přijdu hned inszeniert, in der die beliebte Darstellerin Anna Letenská (1904-1942), die im Theater und auf der Kinoleinwand seit den 1930er Jahren eine erfolgreiche Karriere begonnen hat, eine tragende Nebenrolle übernimmt. Andula, deren zweiter Ehemann Wladislaw Čaloun sich im Widerstand engagiert und 1942 von der Gestapo verhaftet wird, muss angesichts der verhängten Sippenhaft nun ebenfalls um Freiheit und Leben bangen, doch da ihr letzter Film schon zu großen Teilen gedreht wurde und ihre Mitwirkung als wichtig erachtet wird, bleibt sie zunächst verschont.

Während Anna Letenská bei den Dreharbeiten die Rolle der burschikosen Komödiantin in einem von den Nazis überwachten Film spielt, hegt sie schreckliche Befürchtungen hinsichtlich des Schicksals ihrer Familie, und mitunter fällt es ihr schwer, angesichts dieser bedrohlichen wie absurden Situation die Haltung zu bewahren. Obwohl weder ihr Mann noch sie selbst an dem Attentat auf Reinhard Heydrich im Mai 1941, an dessen Folgen dieser verstarb, beteiligt waren, fällt Andula doch den drastischen Vergeltungsmaßnahmen der Nazis zum Opfer: Am 24. Oktober 1942 wird Anna Letenská im Konzentrationslager Mauthausen ermordet.

Der Dokumentarfilm Andula – Besuch in einem anderen Leben von Fred Breinersdorfer und Anne Worst stellt sowohl ein Porträt der Prager Charakterdarstellerin Anna Letenská als auch eine Rekonstruktion der historischen sozialpolitischen Verhältnisse in dieser besetzten Region dar, die nur selten im Fokus der filmischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus steht. Erinnerungen von Zeitzeugen wie Andulas Sohn Jiři Letenskỷ, der einstigen Kollegin Eva Gerová und des Regisseurs Otakar Vávra, der die letzte Komödie der Anna Letenská inszenierte, ergänzen dabei die Darstellungen der Dokumentation.

Doch es ist die besondere Form der Inszenierung, die Andula – Besuch in einem anderen Leben von der gängigen Gestaltung eines Dokumentarfilms abhebt: Die Schauspielerin Hannah Herzsprung wird als zeitgenössische Figur eingesetzt, die einer stummen Anklägerin gleich die historischen Wege der Anna Letenská beschreitet und deren Ausdruck offensichtlich die emotionalen Befindlichkeiten der Porträtierten widerspiegeln soll. Gleichzeitig ist es die Stimme Hannah Herzsprungs aus dem Off, die Andulas Geschichte erzählt und die Bilder der Dokumentation begleitend kommentiert.

Zweifellos verleiht dieser Einsatz einer fiktiven Figur zur visuellen Verstärkung einer historischen Person innerhalb des Dokumentarischen, der stark an die Form von Lehrfilmen zur Erwachsenenbildung im Fernsehen erinnert, der Inszenierung eine deutlich plakative und hier mitunter auch gefühlvoll intensivierende Komponente. Auch im Falle des Porträts von Anna Letenská zielt diese Konstruktion auf die Visualisierung und Emotionalisierung der Protagonistin ab, über deren Gefühlswelt im Grunde nur wenig bekannt ist, so dass diese fiktionale Dimension durchaus schlüssig erscheint – einem Besuch in einem anderen, längst vergangenen Leben gleich, wie der Titel programmatisch verkündet.

Allerdings wirkt dieser dramaturgische Effekt bei Andula – Besuch in einem anderen Leben mit seinem raumfüllenden Charakter allzu isoliert und unterbricht in seiner parallel abgegrenzten Installation und der dem Zuschauer präsentierten Interpretation die unmittelbare Verbindung zur authentischen Geschichte der Anna Letenská, der hier wie in einem Spielfilm das Gesicht einer modernen, renommierten Schauspielerin verliehen wird. Auch wenn eine Emotionalisierung historischer Stoffe gerade aus dem Themenbereich des Nationalsozialismus besonders bei persönlichen Porträts durchaus ihre Berechtigung hat, finden hier die Ebenen des Dokumentarischen zum einen und der fiktiven Rekonstruktion andererseits kaum Kontakt zueinander. Zu konstruiert und funktionell kommt die Fokussierung auf das Wandeln und den Ausdruck Hannah Herzsprungs daher, und allein ihre entfernte Ähnlichkeit mit Anna Letenská vermag es nicht, eine stimmige Verbindung der beiden Figuren herzustellen. Dennoch vermag es der Film, auf eindrucksvolle Weise die Zusammenhänge zwischen dem persönlichen Schicksal Andulas und der vielschichtigen historischen Dimension herzustellen, besonders dann, wenn er sich auf die Aussagekraft des dokumentarischen Materials verlässt, das für sich betrachtet bereits ausreichend emotionalen Zündstoff birgt.

Andula - Besuch in einem anderen Leben

Innerhalb des Schreckensuniversums der Herrschaft der Nationalsozialisten gab es immer wieder unzählige Menschen, die durch die grausamen Machtstrukturen dieser Zeiten in ganz besonders absurde, bedrohliche Situationen katapultiert wurden. Dies war auch das Schicksal der populären Prager Schauspielerin Anna Letenská, genannt Andula:
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