Seelenvögel

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Im Angesicht des Todes

Thomas Riedelsheimer hat 2 ½ Jahre lang schwerkranke junge Menschen mit der Kamera begleitet und hat dennoch eine Ode auf das Leben geschaffen. Wie das geht? Indem er vorbehaltlos deren Lebenswillen in den Vordergrund stellt, sie mit ihren Ängsten und Hoffnungen ernst nimmt und sie vor allem bei ihrem alltäglichen Leben begleitet. Denn auch der Tod ist eine alltägliche Erscheinung – zumindest bei diesen drei Protagonisten und deren Familienangehörigen.
Krebs ist wohl die Erkrankung, die heutzutage eine der häufigsten Todesursachen ist. Wir alle wissen das, verdrängen es jedoch gekonnt. Dies geschieht immer nur den anderen, nicht uns selbst. Dass dies ein Trugschluss ist, beweisen Pauline (15 Jahre), Richard (10 Jahre) und Lenni (6 Jahre). Allesamt haben sie die erschütternde Diagnose „Leukämie“, die sie jedoch ihre Lebenshoffnung und ihre Pläne für die Zukunft nicht aufgegeben lässt. Stark sind sie, alle drei, auch wenn sich Lenni mit seinem zusätzlichen Downsyndrom kaum artikulieren kann. Dennoch hat dieser kleine Mensch einen so großen Charme, eine so große Lebensenergie, dass seine Umwelt — vor allem seine Eltern — ihn unglaublich ins Herz schließen. Der Junge kämpft ungemein, ebenso wie sein „Alter Ego“, Richard. Gerade mal vier Jahre älter, so reflektiert er doch seine Krankheit überraschend gefasst und schmeißt mit medizinischen Fachbegriffen um sich, wie jemand, der die Zwanzig weit überschritten hat. Zwar behält Richard seine kindliche Ausstrahlung bei, aber er wirkt dabei wie ein Großer: Abgeklärt, aufgeklärt, ausdauernd. Scheinbar nicht kleinzukriegen sind die drei Protagonisten dieses Films. Ebenso wie ihre Eltern. Aber die eigentliche Last bleibt bei den Kranken, das soll nicht vergessen werden und das zeigt Seelenvögel. Vor allem Pauline wirkt sehr beeindruckend, wenn sie lebensphilosophische Weisheiten von sich gibt, die ein Erwachsener kaum besser formulieren könnte. Trotz Lebenserfahrung, Studium oder Karriere. Sie ist es auch, die mit Aussprüchen wie „Es gibt kein richtig & kein falsch, nur ein hier & jetzt!“, zu einem Läuterungsprozess des Zuschauers führt. Aber auch Richard mit seinem Ausspruch: „So sehen Sieger aus!“ führt zur Nachdenklichkeit des Filmbesuchers. Wie kann ein Zehnjähriger solche Weisheiten von sich geben? Er kann es – auch oder gerade weil er mit seiner Erkrankung auf eine harte Prüfung gestellt wird. Trotz der immer wieder eingestreuten Wunder der Welt, die in Form von Naheinstellungen kleiner Naturspektakel eingeschnitten werden, ist es ein trauriger, unglaublich trauriger Film, der dennoch so lebensbejahend ist, wie es eben geht. Vielleicht hat Pauline Recht mit ihrer Aussage, dass die Seele ein Kristall ist, die mit jeder Erfahrung schöner und größer wird. Mut macht das alle mal.

Seelenvögel ist eine Hommage an das Leben, das unweigerlich den Tod beinhaltet. An die Lebensfreude, die – auch sterbenskranken – Menschen innewohnen kann und sollte. Dabei hat der Regisseur Thomas Riedelsheimer den Blick nur rudimentär auf die Umwelt der sterbenskranken jungen Menschen gelenkt, und vor allem auf die Erkrankten. Und durch deren Kraft und Stärke wachsen auch die anderen und werden nicht nur zu Trauernden und Leidtragenden.

Es soll hier nicht verraten werden, wie es mit den Kindern bzw. der Jugendlichen weitergeht. Nur so viel: Es trifft in’s Mark, mitzuerleben, wie die drei im Angesicht des Todes ihr Leben meistern. Eine Leistung, von der sich vermeintlich Gesunde eine große Scheibe abschneiden können und auch sollten.

Das Leben ist kostbar – so die Quintessenz dieses Filmes.

Seelenvögel

Thomas Riedelsheimer hat 2 ½ Jahre lang schwerkranke junge Menschen mit der Kamera begleitet und hat dennoch eine Ode auf das Leben geschaffen. Wie das geht? Indem er vorbehaltlos deren Lebenswillen in den Vordergrund stellt, sie mit ihren Ängsten und Hoffnungen ernst nimmt und sie vor allem bei ihrem alltäglichen Leben begleitet. Denn auch der Tod ist eine alltägliche Erscheinung – zumindest bei diesen drei Protagonisten und deren Familienangehörigen.
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Meinungen

Andrula · 15.07.2010

Der Film hat mich tief berührt. Die drei Kinder sind große Lehrmeister in Punkto das Leben leben im Hier und Jetzt, und sie sind große Lehrmeister, mitten im Leben auch das Sterben zu lernen. Vielen Dank!

Harald · 05.02.2010

Den Film habe ich mit sehr großem Interesse angeschaut und verneige mich tief vor dem Mut der drei Kinder, die alle auf ihre Art großartig sind und den Tod mutig angehen. Es hatte so viel Festliches, Friedliches....

Und ein Dank dem Thomas Riedelsheimer, dem auch ein großes Danke gebührt für diese sensibel dargebrachte Doku. DANKE

Dirk · 05.11.2009

Sie saß demütig kniend vor der stolz aufrecht steh'nden Rose, als sie leise flüsternd zu ihr sprach: "Du bist die wunderschönste aller Blumen auf diesem riesengroßen Erdenballe, auf dass ich sogleich Dich reißen möcht' aus abscheulich übelriechend, Deine zarten Wurzeln umschließendem schwarzem Grunde und Dich brächt' zu meiner Hütt aus schlichtem Stroh, wo Dir eine Vase aus schmuckem Ebenholze als Schlafgemache diente." Ob dieser kühnen Worte dieses reizend jungen Mädchens erschrak die Rose sehr: "Wenn Du dies wirklich tätest, liebes Kind, dann würden alle meine Wurzeln in Tausende von Stücken reißen und selbst - ich lebt' nicht lange." "Ich gäb' Dir aber doch täglich reichlich frisches Wasser, auf dass Du strahlend herrlich weiter blühtest.", erwiderte die kleine unerfahren' Dirn darauf hin. "Das ist redlich, wahrlich brav gedacht. Doch ohn' Wurz' und festen Boden bin ich hülflos dem Gevatter Tode ausgeliefert. Drum bitt' ich Dich, so lass' mich steh'n, musst ohn' mich von dannen zieh'n!" "Wenn Du nicht kommen willst mit mir, dann bleib' ich eben hier bei Dir!", sprach's das goldig' Kindelein und kam und kam nie wieder heim.

Copyright by Dirk Zinsmeister

Margot · 05.11.2009

...ich habe einen sehr kräftigen und bewegenden Film mit "Seelenvögel" erleben dürfen.
Kinder die uns zeigen wie man mit dem kostbaren Leben das einem geschenkt wird umgehen sollte.
Danke an alle die diesen Film ermöglicht haben und einem die Welt mit anderen Augen sehen lässt...