Cooking History (2009)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Kriege der Köche

Was für eine schräge Idee. Und was für ein ebenso verrückter Film. Der slowakische Regisseur Peter Kerekes widmet sich in seiner sehenswerten Dokumentation Cooking History den Militär- und Feldköchen und beleuchtet ihr Wirken in verschiedenen Kriegen und Konflikten des 20. Jahrhunderts. Das Ergebnis ist ein Film, wie man ihn viel zu selten zu sehen bekommt: Cooking History ist grausam und komisch zugleich, er zeigt große Geschichte und kleine Anekdoten, verschmitzt inszeniert und mit einer ganzen Reihen außergewöhnlichen Zutaten abgeschmeckt.

Nach einem Epilog, der im Tschetschenien-Konflikt angesiedelt ist, beginnt Kerekes seinen Bilderbogen im Zweiten Weltkrieg, von dem ein deutscher Bäcker und eine russische Köchin hinreißend von ihren Problemen und Aufgaben während des großen Abschlachtens der Völker erzählen und nebenbei kochen. Weitere Stationen von Cooking History sind der Aufstand in Ungarn und der Prager Frühling, die beide mit Waffengewalt niedergeschlagen werden, der Algerienkrieg und der Jugoslawienkonflikt, der aus gleich drei unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Was in diesen Episoden deutlich wird: Armeen gleichen einem riesigen Organismus, der sich nicht nur Länder einverleibt, sondern auch gigantische Mengen an Essen, vor allem Fleisch. Wenn dieser gierige Körper nicht ausreichend gefüttert wird, ist alle Kriegskunst umsonst. Kochen und Essen werden so zu Metaphern des Krieges und die Kniffe der Köche zu Handlungen, die so manches taktische und strategische Manöver an Bedeutung weit in den Schatten stellen.

Bei aller Verspieltheit und manchmal auch Selbstverliebtheit des Regisseurs in sein ganz und gar ungewöhnliches Konzept spart der Film nicht mit drastischen Bildern: Die Phrase von „No animals were harmed for shooting this film“, die man sonst im Abspann von Werken aus Hollywood lesen kann, findet man hier nicht. Stattdessen zeigt Peter Kerekes, wie einer Kuh von Soldaten der Kopf abgeschlagen wird, er zeigt den verzweifelten Kampf eines Schweins gegen die bevorstehende Schlachtung und einen Hahn in den letzten Momenten, bevor er den Weg in Richtung „Coq au vin“ antritt.

Die Absurdität des Krieges und seine Grausamkeit, die erstaunlich heiteren Erinnerungen an Zeiten der Not und des Tötens, ironisch eingestreute Rezepte für ganze Kompanien von Soldaten, die stets mit der Angabe „…und eine Prise Salz“ enden und inszenierte Szenen, die manchmal schon fast an Monty-Python-Gags erinnern, formen ein ungewöhnliches Puzzle, in dem Peter Kerekes zusammendenkt, was man so bislang noch nirgendwo anders sah: Nicht nur Liebe geht durch den Magen, sondern auch der Krieg. Umso bedauerlicher, dass ausgerechnet der Epilog zu diesem furiosen Werk sich nicht so recht in das Gesamtbild fügen mag: Wenn der Koch eines untergegangenen U-Bootes mitten in der steigenden Flut ein letztes Mahl für die untergegangene Besatzung zubereitet, gehen nicht nur die Schnitzel in den Wellen baden, auch die gute Absicht, einen würdigen Abschluss für diesen hoch komischen und sehr bizarren Film zu finden, erleidet Schiffbruch. Was aber ein eindrückliches Kinoerlebnis über die Geschichten hinter der Geschichte kaum beschädigt. So spielerisch und verschmitzt machen historische Einsichten jedenfalls eine Menge Spaß – sofern man einen stabilen Magen hat. Hoffentlich kommt dieser Film, der auf dem 52. DOK Leipzig gezeigt wird, auch regulär in die deutschen Kinos.
 

Cooking History (2009)

Was für eine schräge Idee. Und was für ein ebenso verrückter Film. Der slowakische Regisseur Peter Kerekes widmet sich in seiner sehenswerten Dokumentation „Cooking History“ den Militär- und Feldköchen und beleuchtet ihr Wirken in verschiedenen Kriegen und Konflikten des 20. Jahrhunderts. Das Ergebnis ist ein Film, wie man ihn viel zu selten zu sehen bekommt: „Cooking History“ ist grausam und komisch zugleich, er zeigt große Geschichte und kleine Anekdoten, verschmitzt inszeniert und mit einer ganzen Reihen außergewöhnlichen Zutaten abgeschmeckt.

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Meinungen

Rocco · 28.10.2009

Dieser Film hat mich umgehauen.
Solch eine gute Inszenierung, so starke Geschichten und Charaktere. Endlich mal wieder eine Doku, die Kamera, Schnitt, Ton und Musik nicht vergisst. Wirklich eine Klasse für sich im Vergleich, was es bisher im intl. Wettbewerb zu sehen gibt. Und ich muss dem Rezensenten wiedersprechen, der Epilog ist ein würdiger, grandios-kreativer Abschluss dieses Meisterwerkes.
Ganz, ganz großes Kino!