Kennzeichen Kohl

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der fünffache Helmut

Wie lebt es sich mit dem Namen des Kanzlers der Wiedervereinigung? In seinem Film Kennzeichen Kohl, der auf einer Idee des Fotografen Burkhard von Hader beruht, spürt der Dokumentarfilmer Jean Boué fünf Männern verschiedener Herkunft nach, die allesamt nur eines verbindet: Sie tragen den gleiche Namen wie der Ex-Kanzler, der 1989 die deutsche Wiedervereinigung ermöglichte. Schon allein deshalb geht es in diesem Film auch um deutsch-deutsche Befindlichkeiten, zumal zwei der fünf Porträtierten aus dem Osten Deutschlands stammen.
Dass trotz des übermächtigen Namens der Schatten des „Dicken“ nicht allzu schwer über dem Film lastet, liegt am Geschick Broués und an den interessanten Aspekten, die der Film dem Zufall der Namensgleichheit abringt. Vielmehr geht es um die verschiedenen Lebenswege der Männer, um ihre Erfahrungen, ihre Wünsche, ihre Hoffnungen. Und am Rande auch immer wieder um die Politik und ihre Auswirkungen. So etwa dann, wenn Helmut Kohl aus Wolfen anhand seiner eigenen Wohnsituation die Entvölkerung im Osten Deutschlands und den Rückbau ganzer Wohnblocks deutlich werden lässt. Von Wohnungsproblemen ganz anderer Art weiß der aus Österreich stammende Architekt Helmut Kohl zu berichten, der als Investor in Bauprojekten im Osten eine Menge Geld verloren hat. Es sind zwei unterschiedliche Ansichten dessen, was einst vom Kanzler als „Aufschwung Ost“ bezeichnet wurde. Beide Male fällt das Fazit der Unternehmung nicht allzu rosig aus.

Seine ganz eigene Interpretation der Wende hat auch der Gastwirt aus Crimmitschau in Sachsen, der bemerkt, vor der Wiedervereinigung sei es ihm „sehr, sehr, sehr, sehr gut“ gegangen. Danach nur noch „gut“. Dann nickt er bekräftigend mit dem Kopf. Auch jener Helmut Kohl, der immerhin aus dem gleichen Bundesland wie der Kanzler aller Deutschen stammt, ist nicht so recht zufrieden damit, wie es läuft. Sein schwerkranker Bruder, den der Anlagenführer aus der Nähe von Trier betreut, bedeutet für die ganze Familie eine enorme, auch finanzielle Belastung. Man spürt förmlich die Angst, trotz Fleiß und Sparsamkeit vom sozialen Netz nicht mehr aufgefangen zu werden. Wäre nicht der familiäre Zusammenhalt und die Geborgenheit des dörflichen Lebens, wäre die Verzweiflung, die man hier eher zwischen den Bildern spürt als sieht, sicherlich größer.

Mit sich selbst und ihrer (neuen) Heimat im Reinen sind vor allem der aus Oberschlesien stammende und in Heidelberg wohnende Helmut Kohl und eben jener Helmut Kohl, der sein Glück als Architekt gemacht hat und der einen Gutteil seiner Zeit auf seinem Anwesen in Mallorca verbringt. Er ist auch der einzige, der während eines Urlaubs dem „echten“ Helmut Kohl leibhaftig begegnet ist. Als der Staatsmann von der Namensgleichheit erfuhr, lud er den Architekten aus dem Ruhrgebiet ein. Doch aus dem längeren Treffen wurde leider nichts – Terminprobleme. So ist das eben im Leben eines Politikers.

Zwischen Designereinrichtung und Plattenbautristesse, Schrebergartenidylle und der behaglichen Atmosphäre eines hübschen Einfamilienhauses in der deutschen Provinz hat Jean Boué seinen Film angesiedelt und überrascht durch beinahe soziologisch anmutende Einsichten in das Leben höchst unterschiedlicher Männer, die einen guten Querschnitt durch deutsch-deutsche Befindlichkeiten bieten. Dass sich dabei manches Klischee quasi selbst erfüllt, spricht nicht unbedingt gegen diesen Film, der manchmal vielleicht ein wenig zu starr an seinem Konzept exakt gleich konstruierter Themenblöcke klebt. Trotz dieses Manko und der unverkennbaren Fernsehästhetik ist Kennzeichen Kohl ein gelungener Beitrag zu all jenen Filmen, die sich derzeit anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Mauerfalls kritisch mit Deutschland auseinandersetzen. Vor allem deshalb, weil Jean Boué seine Protagonisten mit unverkennbarer Sympathie begleitet.

Patriotisch erbaulich ist Jean Boués Film eher nicht geraten – als die fünf Helmuts am Ende gebeten werden, die deutsche Nationalhymne anzustimmen, herrscht größtenteils betretenes Schweigen, lediglich der aus Oberschlesien stammende Helmut Kohl hat den Text auf Anhieb eingermaßen flüssig parat, während sich ein anderer nur an „Auferstanden aus Ruinen…“ erinnert. Wenn das der Helmut wüsste. Also der echte…

Kennzeichen Kohl

Wie lebt es sich mit dem Namen des Kanzlers der Wiedervereinigung? In seinem Film „Kennzeichen Kohl“, der auf einer Idee des Fotografen Burkhard von Hader beruht, spürt der Dokumentarfilmer Jean Boué fünf Männern verschiedener Herkunft nach, die allesamt nur eines verbindet: Sie tragen den gleiche Namen wie der Ex-Kanzler, der 1989 die deutsche Wiedervereinigung ermöglichte.
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Meinungen

Sousa · 09.09.2010

So unterschiedlich können Kohls sein

Snacki · 18.08.2010

Lakonisch, witzig, speziell - ein sehenswerter Dok-Film

Jean Boué · 28.10.2009

gucke mal