Universalove

Eine Filmkritik von Claire Horst

Chasing Shadows in the Dark

Filme über die Liebe gibt es zuhauf, Musikfilme ebenfalls. Musikfilme über die Liebe sind da schon seltener, wenn man die zahllosen Musicals außer Acht lässt, bei denen Liebende im Mittelpunkt stehen. Universalove ist beides, ein Musik- und ein Liebesfilm. Denn den sechs Episoden aus verschiedenen Ländern liegt ein eigens zum Film komponierter Soundtrack der österreichischen Band Naked Lunch zugrunde.
Julie ist verliebt in Rashid, der mit seinen undurchsichtigen Geschäften in Schwierigkeiten geraten ist. Auf ihren Mopedfahrten durch Marseille denkt sie nur an ihn und an den beunruhigenden Mann, der ihren Liebsten bedroht. Verliebt ist auch der japanische Computermechaniker Satoshi, der seine Angebetete allerdings nur aus der Ferne bewundert. Zu Hause bewundert er heimlich aufgenommene Fotos seiner Geliebten, die er an sämtlichen Wänden aufgehängt hat. „Warum ist sie nicht hier?“, fragt sein kleiner Sohn, und darauf gibt es keine Antwort. Die Liebe ist kompliziert und überfordert alle Protagonisten in dem Film von Thomas Woschitz.

Wie in Marseille und Tokio werden seine Figuren allerorten von ihr überwältigt. In Luxemburg treffen sich Ben und Luc regelmäßig im Schwimmbad, wo sie wortlose Tänze unter Wasser vollführen und sich leidenschaftlich küssen – merkwürdigerweise, ohne jemals Wasser zu schlucken. Es ist die Feigheit eines der Männer, die ihre Liebe scheitern lässt. Seine Frau und sein Kind sollen von der Beziehung nichts erfahren. Wie die Affäre angefangen hat und wo sie die beiden hinführen wird, erfährt der Zuschauer nicht in diesem Zusammenschnitt angedeuteter Geschichten.

Der Regisseur erläutert keine Zusammenhänge, stellt seine Figuren in keinen Kontext. Sie haben keine Geschichte und kein Umfeld. Wer diese liebenden Personen sind und in welcher Beziehung sie zueinander stehen, wird allein aus den Bildern deutlich – oder auch nicht.

In New York ist der Taxifahrer Sean fest davon überzeugt, dass seine Frau ihn betrügt. Dieses Gefühl kann er nicht begründen, und es wird sich niemals herausstellen, ob es gerechtfertigt ist. Doch das spielt überhaupt keine Rolle. Leidenschaft und Eifersucht, Sehnsucht und Unsicherheit sind für Woschitz universale Elemente der Liebe – ob in New York oder in Rio, wo die junge Maria von dem Hauptdarsteller ihrer heißgeliebten Telenovela angefahren wird und plötzlich Realität und Fantasie verschwimmen sieht. Fast intimer scheint das Verhältnis dieser beiden Unbekannten, das der Frau aus der Vorstadt und des koksenden, dauergestressten Schauspielers, als das zwischen Paaren wie der Belgraderin Milja und ihrem langjährigen Freund Dusan, einem unzuverlässigen Musiker.

Manchmal geben längere Gespräche zwischen den Figuren winzige Details über sie preis, doch viel häufiger sind es Einzelbilder, verschwommene Eindrücke und gleich wieder fallen gelassene Handlungsfäden, die der Film zeigt. In langen Passagen hängen die Figuren ihren Gedanken nach oder tun einfach gar nichts. Dann ist es allein die Musik, die die Handlung trägt. Immer wieder anschwellende Chöre, elektronisch verstärkte Klänge und fast pathetische Texte über Nähe und Distanz vermitteln das, was die Bilder auf der optischen Ebene zeigen: Der Hintergrund dieser sechs Liebesgeschichten ist nicht von Bedeutung. Wer hier wen warum genau liebt, ist eine viel zu banale Frage. Die Gefühle und Unklarheiten, die mit der Liebe in all ihren Spielarten verbunden sind, werden auf derart abstrakte Weise wohl deutlicher als bei der Bindung an eine fiktive, präzise ausgearbeitete Geschichte.

Wichtiger als die einzelnen Charaktere und ihre individuellen Eigenschaften ist die Musik der 1990 gegründeten Band Naked Lunch. Sie unterstreicht die traumartige und schwermütige Atmosphäre des Films. Auf ihr gleitet der Zuschauer entlang und meint aus der Vogelperspektive das immer gleiche Treiben orientierungsloser Menschen zu begleiten. Hilflosigkeit und immer wieder die Hoffnung, geliebt zu werden, das drückt die Musik ebenso eindringlich aus wie der Film. „Come closer where you are“, singt Oliver Welter, während sich die Protagonisten voneinander entfernen. Wehmütig-melancholisch verkündet er: „When the city goes to sleep go tell the stars not to fall from the sky“.

Dass tatsächlich die Musik von Naked Lunch die wichtigste Position in Universalove einnimmt, hat auch die Jury des Saarbrücker Filmfestivals 2009 erkannt, die dem Film den Max Ophüls-Preis für die beste Regie zuerkannte. „Eine atemlose, vibrierende Odyssee zur Musik von Naked Lunch, die kein geschmacksverstärkender Soundtrack ist, sondern eine Hauptrolle spielt.“, hieß es in ihrer Begründung.

„Chasing shadows in the dark“, diese Textzeile von Naked Lunch trifft den Kern dieser stillen Liebesgeschichten. Zwar sind die Figuren allesamt vergeblich Suchende, doch ihre Melancholie hat auch eine berührende, leise Schönheit.

Universalove

Filme über die Liebe gibt es zuhauf, Musikfilme ebenfalls. Musikfilme über die Liebe sind da schon seltener, wenn man die zahllosen Musicals außer Acht lässt, bei denen Liebende im Mittelpunkt stehen. „Universalove“ ist beides, ein Musik- und ein Liebesfilm. Denn den sechs Episoden aus verschiedenen Ländern liegt ein eigens zum Film komponierter Soundtrack der österreichischen Band „Naked Lunch“ zugrunde.
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