La bocca del lupo

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Melancholische Beobachtungen einer zerstörten Stadt und ihrer zerstörten Einwohner

Enzo kehrt nach Hause zurück. Zuhause, das ist Genua. Er war lange nicht da, sein Gesicht ist verhärmt und vorzeitig gealtert. Er durchquert die Stadt, den Hafen, die kleinen Gassen und Seitenstraßen fernab des wunderschönen Altstadtkerns. Sein Genua ist heruntergekommen, die Anzeichen der glorreichen Vergangenheit der Stadt sind vergilbt und fast verschwunden. Die Einwohner genau wie Enzo gealtert, ausgemergelt. Der Mann geht schließlich nach Hause, ein kleines Apartment in dessen Wohnzimmer auf dem Tisch ein Abendessen steht, das schon vor Jahren für ihn gemacht wurde. Gekocht hat es Mary. Mary und Enzo haben sich im Männerknast kennen gelernt als Enzo der Einzige war, der sich für die transsexuelle Mary interessierte. Jahrelang mussten sie warten bis sie einander wieder in Freiheit sehen und lieben konnten. Die beiden haben einen Traum: ein kleines Häuschen am Meer.
Pietro Marcellos La bocca del lupo ist wohl eines der Highlights des diesjährigen Programmes des Forums der 60. Berlinale. Die Atmosphäre dieser semifiktionalen Dokumentation ist erstaunlich dicht und emotionalisiert schon bei den ersten Bildern. Marcello erzählt die Geschichte einer italienischen Stadt – Genua — deren prachtvolle Tage gezählt scheinen, in deren Gassen aber noch immer die Melancholie und die Erinnerung von damals lungert. Verblasste Schönheit, abgeplatzte Fassaden, Plätze und Straßen mit prunkvollen Namen, die Vergangenheit hängt über Genua wie ein tiefschwarzer Vorhang. Marcello versucht diese Atmosphäre einzufangen, indem er alte Archivaufnahmen mit neuen Bildern aus den Gassen um den Hafen verbindet. Zeit ist in diesem Film eine Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart und somit undefinierbar. Alles was noch wichtig ist, ist die Atmosphäre. Ganz langsam entrollt Marcello die Geschichte von Enzo und Mary. Sie genau, wie die anderen Bewohner des Viertels, beobachtet er immer mit etwas Abstand, dafür aber umso genauer. Dabei vermag er es den alten, obdachlosen Männer, die am Hafen in Höhlen hausen, den transsexuellen Prostituierten in den Gassen und den alten Frauen eine Aureole von Göttlichkeit zu geben, dass man fast glauben mag sie wären die alten römischen Götter, nur eben eine heruntergekommene, vergessene Variante. Lange beobachtet Marcello nur das Treiben, erst im letzten Drittel des Filmes lässt er Enzo und Mary ihre Geschichte erzählen von einem Leben, das längst verloren ist und von ihren Träumen, die nie eine Chance haben werden.

La bocca del lupo ist kein leichter Film. Man muss sich auf seine Langsamkeit und Melancholie einlassen können und auch auf die Brüche mit den kleinen Fetzen an reellem Hier und Jetzt, die Marcello immer wieder einstreut. Wenn das gelingt, so kann der Film ein tief bewegendes Erlebnis werden auch wenn man nie weiß was jetzt dokumentarisch, was fiktiv, was von heute, was von früher ist. La bocca del lupo ist eben alles: eine Liebesgeschichte, eine Reportage über die Außenseiter der italienischen Gesellschaft, eine Hommage an die frühere Schönheit. Eine klare Antwort gibt dieser Film nur auf einer emotionalen Ebene.

La bocca del lupo

Enzo kehrt nach Hause zurück. Zuhause, das ist Genua. Er war lange nicht da, sein Gesicht ist verhärmt und vorzeitig gealtert. Er durchquert die Stadt, den Hafen, die kleinen Gassen und Seitenstraßen fernab des wunderschönen Altstadtkerns. Sein Genua ist heruntergekommen, die Anzeichen der glorreichen Vergangenheit der Stadt sind vergilbt und fast verschwunden.
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