Banksy - Exit Through the Gift Shop (2010)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das Phantom von Berlin

Ist er da? Sitzt er vielleicht gerade neben mir? Zumindest bislang ist die Berlinale ein wenig das Festival der nicht anwesenden Regisseure. Roman Polanski etwa, der aufgrund seiner Festnahme nicht da sein kann. Und nun eben der legendäre Street Art-Künstler Banksy, von dem kein Bild existiert und nur wenig bekannt ist. Zwar sehen wir ihn in diesem Film und auch in einer Videobotschaft, doch beide Male ist sein Gesicht im Schatten und von einer Kapuze verhüllt und die Stimme durch elektronische Manipulationen verzerrt. Der Mann liebt das Geheimnisvolle. Und das ist sicherlich ein Teil des Faszinosums.

So abwesend der Künstler aus Bristol auch sein mag, seine Kunst ist allgegenwärtig. Natürlich in London, aber auch in Paris und Los Angeles sind seine Bilder und Skulpturen zu sehen und selbst die Mauer zwischen Israel und dem Westjordanland hat er schon bemalt. Spektakulär auch seine Skulptur eines Guantanamo-Häftlings, die er in einem Disneyland-Park anbrachte und damit eine hysterische Sicherheitsaktion auslöste.

Nun also ein Film von, über und mit Banksy. Doch eigentlich ist in diesem Fall nicht mal das gewiss. Denn eigentlich soll dieser – so der Film oder zumindest das Rohmaterial dazu – von einem verrückten Franzosen namens Thierry Guetta stammen, der sein Geld eigentlich mit dem Verhökern von Second-Hand-Klamotten verdient, der aber zugleich den Spleen hat, alles und jeden mit der Videokamera festzuhalten. Zufällig, so behauptet der Film, stolpert Guetta plötzlich über das Phänomen der Street Art und zeigt sich fasziniert von den subversiven Kunstwerken. Dank einer Zufallsbekanntschaft taucht er in die Szene ein, lernt Typen wie Invader und Shepard Fairey kennen und jagt vor allem dem einen Mann nach, von dem niemand weiß, wie er aussieht: Banksy, der vielleicht bekannteste und erfolgreichste Straßenkünstler, dessen Bilder von küssenden Polizisten, anarchistischen Ratten und der Queen in Affengestalt mittlerweile erstaunliche Summen auf dem internationalen Kunstmarkt einbringen. Und dann trifft er ihn doch und wird sogar bei verschiedenen Aktionen in Los Angeles dessen Assistent — behauptet jedenfalls der Film.

Weil Guetta aber mit dem ganzen Material, das er im Laufe der Jahre über Street Art angesammelt hat, nichts anzufangen weiß und Banksys Anregung, daraus einen Film zu machen, kläglich scheitert, ermutigt Banksy den Mann mit dem altmodischen Backenbart dazu, selbst Straßenkünstler zu werden. Der Hintergrund: Banksy will in der Zeit, in der Guetta mit den Vorbereitungen für seinen Durchbruch auf dem Kunstmarkt beschäftigt ist, selbst mit dem Material arbeiten und so den ultimativen Film über die Bewegung kompilieren.

Wer nun auch immer der Urheber des Films sein mag, wie viel Dichtung und wie viel Wahrheit auch immer darin stecken mag: Exit Through The Gift Shop ist ein subversives Dokufeature über die künstlerische Rückeroberung des öffentlichen Raumes und begeistert mehr durch die Haltung, die hinter dem Film steckt, als durch ästhetische Qualitäten. Die meisten Aufnahmen sind nachts entstanden und wurden ebenso heimlich gedreht wie die illegalen Kunstaktionen, die sie dokumentieren. Dementsprechend unscharf, verwackelt und schlecht ausgeleuchtet sind diese Szenen auch. Weil der Film aber den anarchistischen Geist der Street Art mit viel Humor und Selbstironie festhält und allein durch sein Konzept ein Mysterium bleibt, über das man herrlich spekulieren kann, unterhält Exit Through The Gift Shop und (des)informiert gleichermaßen. Er habe sich erhofft, so Banksy selbst, der Film würde für die Street Art Bewegung die gleiche Wirkung haben wie Karate Kid für die Kampfkunst. Am Ende aber sei es wohl eher Werk, so fügt er mit grimmigem Humor hinzu, das für Straßenkunst das sei, was Der weiße Hai für den Wasserskisport getan habe. „Ich finde, es ist ein guter Film — solange man sehr niedrige Erwartungen hat“, so heißt es weiter in seiner Videobotschaft, die eigentlich zum festen Bestandteil dieses Films erklärt werden müsste. Weil sie den Hype um den Film selbst und um den Künstler noch einmal um eine ironische Volte anreichert.

Vielleicht war er ja doch da? Wenn dies der Fall gewesen sein sollte, merken das die Berliner sicherlich daran, dass ihnen Banksy ein oder mehrere neue Kunstwerke hinterlassen hat. Die alten am Alexanderplatz waren irgendwann wieder verschwunden: Geklaut, demontiert oder abgewaschen. Also: Halten Sie die Augen auf. Vielleicht sehen Sie ja bald schon einen echten Banksy — irgendwo in den derzeit kalten Straßen Berlins…
 

Banksy - Exit Through the Gift Shop (2010)

Ist er da? Sitzt er vielleicht gerade neben mir? Zumindest bislang ist die Berlinale ein wenig das Festival der nicht anwesenden Regisseure. Roman Polanski etwa, der aufgrund seiner Festnahme nicht da sein kann.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

franky · 10.01.2011

Großes Kino? Nee, lustig und ein wenig kritisch. Hätte gern mehr über Banksy erfahren und mehr über die Entstehungsgeschichte seiner Projekte erfahren. der Film weckte bei mir falsche Erwartungen.

franzien · 22.10.2010

Dieser Film ist ganz großes Kino. Wieviel davon Wahrheit ist und wieviel Inszenierung weiß wohl nur Banksy selber. Neben der schreiend schwarzen Satire auf den Kunstmarkt unterhält dieser Film auch. Das macht diese anscheinende Doku noch besser. Der Filmkritiker meint, der Film wäre schlecht ausgeleuchtet, etc. Mein Eindruck ist jedoch, dass dies bewußt als Stilmittel eingesetzt worden ist, denn mal ehrlich, glaubt ihr wirklich das Banksy unabsichtlich schlecht ausgeleuchtete Bilder aufnehmen würde? Unbedingt anschauen!