Snowman's Land

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein eiskaltes Vergnügen

Es gibt Tage, da geht einfach alles schief. Für Walter (Jürgen Rissmann), einen Auftragsgauner in Diensten eines (mehr oder minder) sympathischen „Familienunternehmers“ kleinmafiösen Zuschnitts läuft es derzeit eher suboptimal. Der Killer mit den schmierigen Haaren und der permanenten Ebbe auf dem Konto hat gerade einen Job versaut und soll deswegen auf Anraten seines Bosses „erstmal sein Säckchen in die Sonne hängen“. Weil ein befreundeter Killer wegen familiärer Pflichten („Wer soll denn sonst die Kinder zur Schule bringen?“) ein lukratives Angebot des nur vermeintlich toten Unterweltbosses Berger (Reiner Schöne) in den Karpaten nicht annehmen kann, springt Walter ein und trifft auf der Fahrt zum tief verschneiten Domizil seines neuen Auftraggebers den Kleinganoven Mickey (Thomas Wodianka), mit dem er früher schon mal einen Job durchgezogen hat. In dem Hotel angekommen, in dem Berger residiert, ist jener gerade unterwegs, stattdessen werden die beiden von Bergers ebenso blonder wie hemmungslos verdorbener Freundin Sibylle (Eva-Katrin Hermann) in Empfang genommen und müssen sich nun die Zeit bis zur Ankunft des Auftraggebers vertreiben.
Mickeys und Sibylles fatale Leidenschaft für Alkohol, Sex, Drogen und Schusswaffen führen schnell in die Katastrophe und plötzlich haben die beiden Kleingauner noch mehr Probleme, als dies vorher schon der Fall war. Und der kleine Unfall, der am Anfang dieser Katastrophe steht, ist erst der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Verwicklungen, die dem Aufenthalt im Niemandsland der verschneiten Berge immer absurdere Züge und dramatische Wendungen verleihen.

Zwei Killer im Schnee (Fargo), ein heruntergekommenes Sanatorium in den Bergen, das aussieht, als sei es eine Mischung aus sozialistischem Erholungsheim und einer etwas anderen Version des Anwesens aus Stanley Kubricks Shining, die exquisiten Bilder mit ihrer coolen bis kalten Farbpalette (Kamera: Ralf M. Mendle), die herrlich lakonischen Dialoge (die mitunter an Jim Jarmusch erinnern) sowie der ironische Musikeinsatz, der die Geschehnisse auf der Leinwand kommentiert und illustriert – viele Szenen aus Tomasz Thomsons zweitem Spielfilm Snowman’s Land (nach Stiller Sturm, 2001) erinnern an andere wohlbekannte Filme, verweisen auf Vorbilder, die von den bereits genannten Werken bis hin zu Kultfilmen wie Pulp Fiction reichen. Und doch ist die schräge Killerballade kein reines Zitatensammerlsurium, sondern findet von Anfang an einen ganz eigenen Erzählstil und eine beiläufige Lässigkeit, wie man sie in deutschen Debüts viel zu selten findet.

Witzig und blutig, voller schräger Ideen, treffsicherer Dialoge und herrlicher Schauspieler (allein Reiner Schöne ist bereits eine echte Entdeckung, die man viel öfter auf der Leinwand sehen sollte, Jürgen Rissmann und Thomas Wodianka stehen ihm aber in kaum etwas nach) sollte man nicht den Fehler machen, Tomasz Thomsons Film als deutsche Variation auf Joel und Ethan Coens Fargo zu sehen – Snowman’s Land ist vielmehr eine sehr gelungene Talentprobe die verdeutlicht, dass unabhängig produzierte Genreperlen wie diese den internationalen Standards längst genügen und darüber hinaus genügend Eigenständigkeit besitzen, um im Kino eine Menge Spaß zu machen.

Sollte es Tomasz Thomson gelingen, seine Erzählhaltung, seinen Witz und sein Händchen fürs Lakonisch-Schräge beizubehalten, kann man sich jedenfalls jetzt schon auf seinen nächsten Film freuen. Und sollte diesen hier nicht verpassen.

Snowman's Land

Es gibt Tage, da geht einfach alles schief. Für Walter (Jürgen Rissmann), einen Auftragsgauner in Diensten eines (mehr oder minder) sympathischen „Familienunternehmers“ kleinmafiösen Zuschnitts läuft es derzeit eher suboptimal. Der Killer mit den schmierigen Haaren und der permanenten Ebbe auf dem Konto hat gerade einen Job versaut und soll deswegen auf Anraten seines Bosses „erstmal sein Säckchen in die Sonne hängen“.
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