Accidents Happen

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die dysfunktionalste Familie des Jahrzehnts

Ein Kind spielt mit dem Sprinkler im Garten. Nebenan ein alter Mann, der gerade seinen Grill anwirft. Der Mann fängt Feuer und rennt in Zeitlupe auf den Sprinkler und damit auf das Kind zu, vor dessen Augen er verbrennt. Das Kind versucht erschrocken davon zu kommen und rennt postwendend gegen den hauseigenen Fahnenmast. Das ist die allererste Szene in Accidents Happen. Lakonisch erzählt die Voice-Over Stimme dazu von der hier zu sehenden Familie, den Conways, die sich den Titel „dysfunktionalste Familie des Jahrzehnts“ redlich verdient hat.
Die schon im Filmtitel angesprochenen Unfälle geschehen überdurchschnittlich häufig in deren Nähe und bestimmen das Leben aller Familienmitglieder. Die Conways leben in New England in den 80er Jahren. Als die Familie einen Autounfall hat, verändert sich ihr Leben schlagartig: Der Vater (Joel Tobeck) verlässt die Familie nach einem Suizidversuch, da er sich für schuldig hält. Gloria (Geena Davis), die Mutter bleibt allein zurück und verarbeitet ihren Schmerz zu bitterbösem Sarkasmus. Ihre Tochter ist tot, ihr Sohn Gene liegt im Koma und ist nur noch „Gemüse“. Dessen Zwillingsbruder Larry ertränkt seinen Kummer in Alkohol. Das Nesthäkchen Billy hingegen hat einfach aufgehört zu fühlen. So dümpelt die Familie vor sich hin bis Billy den ehemals besten Freund seines Bruders Gene kennen lernt und die beiden versehentlich dessen Vater töten. Wie gesagt: Accidents Happen — Unfälle oder Missgeschicke dieser Art passieren einfach.

Als dieser Film im Jahre 2009 auf dem berühmten Indie Filmfestival Tribeca lief, ließen Filmkritiker kein gutes Haar an ihm. Was vor allem den amerikanischen Kollegen auffiel war, dass irgendwie nichts an der Ausstattung stimmte. Das war offensichtlich nicht New England in den 80ern. Die Häuser sind falsch, die Pflanzen auch, die Nummerschilder ebenfalls. Da hat die Ausstattungsabteilung ganz schön geschlampt. Accidents Happen will uramerikanisch sein, ist es aber nicht, denn der Film wurde in Australien gedreht. Das ist schade, ein wenig Mut zum Bekenntnis seiner Herkunft hätte dem Film nicht geschadet. Es kränkelt hier und da auch am Drehbuch und an den mitunter stereotyp gezeichneten Charakteren. Nichtsdestotrotz ist dieser Film etwas Besonderes.

Schon etliche Filmemacher haben sich im Genre der Dramödie (Drama-Komödie) versucht — und sind kläglich gscheitert. Das große Spiel mit den Gefühlen des Zuschauers muss wohl dosiert und intelligent eingesetzt sein. Das klappt nur selten — und genau das ist hier der Fall: Wenn man aufhört zu weinen, muss man schon lachen. Und wenn das Lachen gerade verklungen ist, muss man schon wieder weinen. Geena Davis hat hier wohl ihre beste Rolle. Als vom Leben ordentlich in den Hintern getretene und verlassene Mutter, die einfach nicht mehr weiß, wie sie es besser machen soll, beschert sie und ihr vulgärer Humor einen Lacher nach dem anderen. Man möchte sich ihre Sprüche merken und auf der nächsten Party erzählen. Ihr gelingt die Meisterleistung, einerseits verletzlich und menschlich zu wirken und andererseits wie ein großes Schlachtschiff zu erscheinen, das unbewegt die permanent schwere See eines äußerst chaotischen Familienlebens durchpflügt. Auch die Darsteller ihrer verbliebenen Kinder verblassen nicht neben ihrer Meisterleistung. Zwar schlagen sie ungleich leisere Töne an, doch sind sie es, die die tieftraurigen Momente tragen.

Accidents Happen ist ein hartes Stück Emotionsarbeit, dass an keinem Zuschauer gefühllos vorbeigehen wird. Ja er ist keineswegs fehlerfrei, aber der Film hat Seele und ist großartige Unterhaltung zugleich.

Accidents Happen

Ein Kind spielt mit dem Sprinkler im Garten. Nebenan ein alter Mann, der gerade seinen Grill anwirft. Der Mann fängt Feuer und rennt in Zeitlupe auf den Sprinkler und damit auf das Kind zu, vor dessen Augen er verbrennt. Das Kind versucht erschrocken davon zu kommen und rennt postwendend gegen den hauseigenen Fahnenmast.
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Meinungen

Glomeor · 09.04.2011

Sehr langatmiger Film mit weniger tiefsinnigen, dafür häufig unfreiwillig albernen Szenen. Die Synchro ist ziemlich daneben.