Tall Dark Stranger - Ich sehe den Mann deiner Träume

Eine Filmkritik von Michael Spiegel

Der alte Mann kann es nicht lassen

Die alten Männer und der verfluchte Sex – geht es um Misanthropie und die letzten Zuckungen der Männlichkeit, kann sich der US-Romancier Philip Roth zumindest noch darauf verlassen, in Woody Allen dann und wann einen Weggefährten an seiner Seite zu wissen, der ihn versteht. Überhaupt scheint sich Allen nach den Ausflügen in vergleichsweise ungewohnte Gefilde wie in Match Point zunehmend wieder auf Altbewährtes zu verlassen, was sich zuletzt schon in Whatever Works andeutete.
You Will Meet A Tall Dark Stranger erzählt die Geschichte des vermögenden Rentners Alfie (Anthony Hopkins), der um alles in der Welt einfach nicht alt werden will. Dummerweise nimmt seine Gattin Helena (Gemma Jones) auf die Empfindlichkeiten des Gatten keinerlei Rücksicht und spricht von nichts Anderem mehr. Bis Alfie eines Tages genug hat und sich nach vier Jahrzehnten der Ehe scheiden lässt, um das blonde und üppig ausgestattete Naivchen Charmaine (Lucy Punch) zu ehelichen und diese zu schwängern. Derweil begibt sich die verlassene Gattin des plötzlich wieder jugendlichen (und unter uns gesagt reichlich lächerlichen) Alfie in die Obhut einer recht zweifelhaften Wahrsagerin (Pauline Collins), die fortan mit ihren Voraussagen und unter der Zuhilfenahme von Whisky in mehr als homöopathischen Dosen die Fäden zieht. Und als wäre das noch nicht genug an familiärem Ungemach, berichtet You Will Meet a Tall Dark Stranger auch von den Schwierigkeiten von Alfies Tochter Sally (Naomi Watts), deren Ehe mit dem glücklosen Schriftsteller Roy (Josh Brolin) ebenfalls nicht gerade optimal läuft. Und als neben den beiden eine ebenso schöne wie geheimnisvolle Inderin (Freida Pinto) einzieht, verdunkelt sich der eheliche Himmel auch beim Töchterchen des Schwerenöters zusehends.

Gewohnt solide, humorvoll und ironisch, mit geschliffenen Dialogen und einem mehr als gelungenen Cast bietet Woody Allens neuer Film keine großen Überraschungen – wenn man von den moderaten esoterischen Untertönen einmal absieht. Auf dem roten Teppich machte der Maestro aber (wohl auch wegen einer Erkältung, die ihn an der recht windigen Côte d’Azur erwischt hat) den Eindruck, als sei er längst den Krisen und Selbstzweifeln seines Protagonisten entwachsen. Entweder war dieser Eindruck nur der etwas angeschlagenen Tagesform Allens zuzuschreiben oder der Mann wird wirklich langsam alt und müde. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn er eines Tages das Filmemachen an den Nagel hängen würde – dann müsste man sich wohl ernsthafte Gedanken um ihn machen. So aber hoffen wir noch auf möglichst viele weitere Filme von und möglicherweise auch wieder einmal mit ihm.

Tall Dark Stranger - Ich sehe den Mann deiner Träume

Die alten Männer und der verfluchte Sex – geht es um Misanthropie und die letzten Zuckungen der Männlichkeit, kann sich der US-Romancier Philip Roth zumindest noch darauf verlassen, in Woody Allen dann und wann einen Weggefährten an seiner Seite zu wissen, der ihn versteht.
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