Bergblut

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Emanzipationsgeschichte vor historischem (Alpen)Panorama

Kaum zu glauben, dass Bergblut die Abschlussarbeit eines Filmstudenten ist. Schon die ersten Bilder, bei denen die Kamera majestätisch aufragende und schneebedeckte Berge überfliegt, dazu der satte Sound des Deutschen Filmorchesters Babelsberg, machen klar, dass es sich hierbei nicht um ein sonst gerne genommenes Coming-of-age-Drama handelt, sondern um einen Film gänzlich anderer Couleur. Eine Art Heimatfilm vor historischer Kulisse – das ist im deutschen Gegenwartskino eine absolute Ausnahmeerscheinung. Zumindest dann, wenn es sich bei der beschriebenen Epoche eben einmal nicht um die Zeit zwischen 1933 und 1945 handelt.
Dabei liegt die Wahl des Themas durchaus auf der Hand – zumindest bei Regisseur Philipp J. Pamer. Denn die Geschichte des Tiroler Volksaufstandes unter Andreas Hofer ist auch Bestandteil der Familiengeschichte von Pamer, Hofers Großmutter war auch eine Vorfahrin des jungen Filmemachers.

Augsburg im Jahre 1809: Napoleon Bonaparte hat Europa fest im Griff, so auch Bayern. Der junge Südtiroler Schreinerlehrling Franz Egger (Wolfgang Menardi) lernt bei einer Lieferung die Arzttochter Katharina Heimstedt (Inga Birkenfeld) kennen und die beiden verlieben sich ungeachtet des immensen Standesunterschiedes ineinander. Gegen den Widerstand von Katharinas Eltern werden sie ein Paar und das Glück scheint perfekt, als die junge Frau schwanger wird. Doch dann geschieht etwas, dass das Leben der beiden komplett auf den Kopf stellt. Bei einem Handgemenge mit einem französischen Offizier erleidet Katharina eine Fehlgeburt, Franz wird wegen des Übergriffs zum Vogelfreien und muss gemeinsam mit seiner Frau in die Heimat fliehen, um sich dem Zugriff der Franzosen zu entziehen.

Im bitterarmen Südtirol, das zu dieser Zeit von Bayern beherrscht wird, braut sich ein Aufstand gegen die Besatzer zusammen. Unter der Führung des Sandwirtes Andreas Hofer (Klaus Gurschler) ziehen alle wehrfähigen Männer Tirols, darunter auch Franz, in die Schlacht gegen die Bayern. Katharina indes hat ganz anderen Probleme: Die feine junge Dame aus der Stadt, noch dazu aus dem verhassten Bayern, wird von ihren Schwiegereltern und den Bewohnern des Dorfes im Passeier-Tal, misstrauisch beäugt und geschnitten, sie gilt als verzärteltes Geschöpf, als Fremde und in manchen Augen sogar als Feindin. Und so dauert es lange, bis sie sich den Respekt ihrer Umwelt erkämpft. Als Franz und dessen jüngerer Bruder Veit (weitgehend) unversehrt aus der siegreichen Schlacht gegen die Bayern am Bergisel zurückkehren, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Die Österreicher schicken sich an, Südtirol unter ihre Verwaltung zu nehmen. Doch der Traum von der Freiheit währt für die Südtiroler nur für einen kurzen Moment und auch Katharina steht ihre eigentliche Bewährungsprobe erst noch bevor…

Die Beschäftigung mit einer historischen Persönlichkeit wie jener des Freiheitskämpfers Andreas Hofer ist aufgrund ihrer cineastischen Vorgeschichte kein leichtes Unternehmen – galt der Südtiroler Rebell doch vor allem in Deutschnationalen Kreisen und zu Zeiten des Nationalsozialismus als Held und Verteidiger des Deutschtums wider die Franzosen und Italiener. Vor allem Der Rebell (1932) von Luis Trenker hatte es den Nazi-Größen angetan, der Film avancierte zum bevorzugten Werk von Joseph Goebbels („Abends Film. Luis Trenker ,Der Rebell. Die Spitzenleistung. Ein nationalistischer Aufbruch. Ganz große Massenszenen … Hitler ist Feuer und Fett“, notierte Goebbels in seinem Tagebuch) und vernebelte lange Zeit einen kritischen Blick auf Hofer.

Blinde Heldenverehrung kann man Philipp J. Pamers Film Bergblut trotz der verwandtschaftlichen Nähe zu Andreas Hofer nicht nachsagen – zumal er den Kunstgriff unternimmt, die Gestalt des Freiheitskämpfers eher an den Rand des Geschehens zu rücken und durchaus mit kritischen Akzenten zu unterlegen. So erfahren wir beispielsweise einiges über Hofers aus seiner tiefen Frömmigkeit gespeisten Antimodernismus und nahezu fanatischen religiösen Fanatismus, der in einer Äußerung Katharinas gut zum Ausdruck kommt: Weil er das Leben der Leute in die Hand Gottes legen will, ist Hofer ein energischer Gegner der Pockenschutzimpfung. Erst mit der klugen bayrischen Arzttochter Katharina kommen die Ideen der Aufklärung und der Wissenschaft in die raue, von Glauben und Aberglauben durchzogene Region.

Dennoch gerät der Blick auf die historische Situation nicht durchgehend kritisch, wozu auch der Fokus auf Katahrinas Geschichte einiges beiträgt: Zunächst durchläuft die feine Dame aus der Stadt einen recht fixen Assimilationsprozess, in dem sie die Freuden des einfachen Landlebens zu schätzen weiß, dann wird sie durch ihre übergroße Liebe zu Franz, die sie zu einer tückischen List greifen lässt, zu einer Ausgestoßenen, bis sie sich wieder den Respekt der Menschen durch Aufopferung erwerben kann. Solche Übergange und Wandlungen nimmt der Film mit beiläufiger Mühelosigkeit, was wohl auch der Parallelführung verschiedener Perspektiven geschuldet ist. Über weite Teile ist Bergblut vor allem eine (recht wechselhafte) Emanzipationsgeschichte vor historischem Panorama. Am Ende verschiebt sich der Fokus des Filmes dann aber doch zu dem bislang vor allem in Gesprächen anwesenden Hofer – seine Verhaftung und Erschießung bildet den Schlussakkord und verschieben nachträglich ein wenig die Akzente des zuvor gewählten Blickwinkels, der vor allem durch eindringliche Schilderungen des Lebens der armen Bevölkerung auszeichnete.

Der Hang zum Pathos, zum großen Kino (oder zumindest zur opulenten TV-Produktion), zur konventionellen Erzählung ist unübersehbar. Majestätische Kameraflüge über schneebedeckte Gipfel und grüne Täler, häufige Untersichten, immer wieder eingestreute „Ballhaus-Kreisel“, dazu die emotionalisierende und überaus präsente Musik von Sami Hammi erwecken bisweilen den Eindruck, man säße hier in einem mit sehr viel mehr Geld ausgestatteten Premium-Event-Movie eines privaten TV-Senders.

Als Abschlussarbeit eines gerade mal 25 Jahre alten Regisseurs ist Bergblut ein beachtlicher Film geworden. Er ist nicht immer frei von Fehlern und hält am Ende die selbst gewählte Perspektive zwar nicht konsequent durch – eine gelungene Talentprobe ist er dennoch.

Bergblut

Kaum zu glauben, dass „Bergblut“ die Abschlussarbeit eines Filmstudenten ist. Schon die ersten Bilder, bei denen die Kamera majestätisch aufragende und schneebedeckte Berge überfliegt, dazu der satte Sound des Deutschen Filmorchesters Babelsberg, machen klar, dass es sich hierbei nicht um ein sonst gerne genommenes Coming-of-age-Drama handelt, sondern um einen Film gänzlich anderer Couleur.
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Meinungen

Thomas · 10.06.2021

Der Film ist wirklich gut, die Musik allerdings völlig daneben, kitschig, amerikanisch...einfach ärgerlich und schade. Weniger wäre manchmal mehr!
Ohne dieses Gedudel wäre der Film ein Meisterwerk.

Badalamenti · 10.07.2011

Die Musik ist beschissen!

susi · 09.02.2011

Super Film, geht unter die Haut, tolle Hauptdarsteller, nur zu empfehlen!!

Robertson · 21.01.2011

Toller Film..tolle Kamera..super Hauptdarstellerin

Sven, das Schaf · 18.06.2010

Super Film!