Detour

Eine Filmkritik von Lida Bach

Das Grauen des Realen

Malerisch düster neigt sich das Blätterdach über die Waldstraße, auf der das junge Pärchen zurück nach Norwegen fährt. Doch die schwedischen Wälder sind nicht so friedlich, wie sie scheinen. Ein verstecktes Augenpaar beobachtet den Mann und die Frau. Ein Auge ist das Severin Eskelands, das andere das seiner Kamera. Jeden Schritt, den Marte Chrsitensen und Sondre Krogstoft Larsen machen, hält sein Filmlinse fest. Unerbittlich dokumentiert sie die wachsende Anspannung der Figuren, die Protagonisten eines perfiden Horrorspiels sind. Grauen ist die Spezialität Eskelands, der zum ersten Mal einen Langfilm dreht. Detour heißt das Resultat, das in schnörkellos rauen Bildern den Horrortrip der Hauptfiguren zeigt. Ziel des Regisseurs ist keine glatte Optik, sondern Realismus. Umso stärker das Authentische durchscheint, desto unterhaltsamer der Film. Der Schrecken muss sich wahr anfühlen. Nur dann ist das Publikum zufrieden.
Alles ist real. Marte Christensen und Sondre Krogstoft Larsen sind keine fiktiven Figuren, genauso wenig wie Severin Eskeland. Doch kein Grund zur Sorge: Detour ist kein Snuff-Film. Nur unscheinbares norwegisches Genrekino. Und ganz bestimmt beruhigend weit von der Wirklichkeit entfernt. Christensen und Larsen sind die Hauptdarsteller. Eskeland verfasste das Drehbuch und führte Regie bei dem nicht einmal 80 Minuten währenden Thriller. Sein Faible für gebündeltes Grauen bewies er auf zahlreichen Genre-Festivals mit seinen Kurzfilmen. Sein solide inszeniertes Spielfilmdebüt ist der eine Horrorfilm. Doch es gibt noch einen anderen.

Malerisch düster neigt sich das dichte Blätterdach über die entlegene Waldstraße, auf der das junge Pärchen zurück nach Norwegen fährt. Doch die schwedischen Wälder sind nicht so friedlich, wie sie scheinen. Ein Unfall versperrt die Straße, erfahren der Mann und die Frau von einem Polizisten. Nur auf die Umleitung verweist er Martin und Lina. Den Kofferraum voller geschmuggelten Alkohols, den beide billig in Schweden gekauft haben, kontrolliert er nicht. Glück gehabt – glauben die beiden. Als sie zwei Platte haben, glauben sie es nicht mehr. Der Mechaniker, dem sie begegnen, ist zu bizarr, die junge Anhalterin zu verstört, der Polizeibeamte zu hilfsbereit. Eine Spur zu unwirklich scheint Lina und Martin die immer ausweglosere Situation, eine Spur zu inszeniert. Etwas beobachtet sie durch die Bäume, dessen Blick sie nicht entkommen. Denn auch Martin und Lina sind Filmstars. Nur haben sie ihre Rollen nicht ausgesucht.

Statt mörderischer Verrückter belauern die Protagonisten Kameras. Sorgfältig platziert verfolgen sie die Hauptcharaktere unerbittlicher als jeder menschliche Antagonist: unerbittlich allgegenwärtig, unerbittlich gefühllos. Die Aufnahmegeräte machen die realen Gegner des Paares unsichtbar und rückt sie beängstigend nah. Neu sind weder die Charaktere noch die Handlung, nicht einmal der Titel von Detour. Den zwielichtigen Kriminalbeamten, der schmierige Automechaniker, das mysteriöse ältere Paar, bei dem die Hauptfiguren landen – jedem sind sie schon in ähnlichen Genre-Werken begegnet. Auch den Protagonisten. Ein Psychothriller wie Detour scheint die mörderische Falle inspiriert zu haben. Weil es fast surreal inszeniert erscheint, können Lina und Martin nicht glauben, dass das Komplott ein Plot ist.

Der Automechaniker hat eine Vorliebe für grausige Filme. Wie Eskeland, das Publikum im Film und das Filmpublikum. Systematisch frustriert der norwegische Horror-Thriller deren Erwartungen, indem er die drastischen Gewaltszenen konsequent außerhalb des Kamerarahmens verlegt. Mit seinen Referenzen an Slasher und angebliche Gewaltfilme hinterfragt Eskeland die eigenen Sehgewohnheiten. Nicht tiefenpsychologisch, sondern schäbig, rabiat und stringent — wie sein vergnüglicher kleiner Video-Nasty.

Detour

Malerisch düster neigt sich das Blätterdach über die Waldstraße, auf der das junge Pärchen zurück nach Norwegen fährt. Doch die schwedischen Wälder sind nicht so friedlich, wie sie scheinen. Ein verstecktes Augenpaar beobachtet den Mann und die Frau.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Nicole · 10.05.2011

Der Film war saugeil, weil er unheimlich viel skurile Komik beinhaltet und trotzdem gruselig ist...