Das System - Alles verstehen heißt alles verzeihen

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Die Macht und ihr Preis

Wie macht man das Geschäft seines Lebens? Ganz einfach: Man kontaktiert die richtigen Freunde in den richtigen Positionen, räumt ein paar Konkurrenten aus dem Weg und wirft alle Skrupel über Bord. Nur ein Klischee? Wohl kaum, wenn sogar ein Ex-Bundeskanzler wenige Monate nach seiner Abwahl sein Geld mit einer gigantischen Gas-Pipeline verdient, für deren Bau er sich in seinem Amt vehement ins Zeug gelegt hatte. Aber es sind weniger die Seitenhiebe auf aktuelle und DDR-historische Machenschaften, die Marc Bauders Politkrimi Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen so sehenswert machen. Es ist vor allem die Auseinandersetzung mit einem universellen Thema: Wie funktioniert Macht und wie verführt sie die Menschen?
In ihrem Spielfilmdebüt verweben Regisseur Marc Bauder und seine Drehbuchautorinnen Dörte Franke und Khyana el Bitar mühelos das Politische mit dem Privaten, das System mit der Familie. Sie erzählen von Mike (Jacob Matschenz), einem cleveren, aber verwöhnten Zwanzigjährigen, der sein Leben in einer Rostocker Plattenbausiedlung als Kleinkrimineller vertrödelt. Das ändert sich, als er mit seinem Kumpel in das luxuriöse Haus von Konrad Böhm (Bernhard Schütz) einbricht. Der kommt überraschend nach Hause, schlägt die jungen Männer in die Flucht, geht aber nicht zur Polizei. Statt dessen bietet er Mike einen Job in seiner Baufirma an, umgarnt ihn mit Zuckerbrot und Peitsche.

Irgendwie spielt Böhm, einer der mächtigsten und zwielichtigsten Männer der Stadt, für Mike eine Art Ersatzvater. Er glaubt, das sei er Rolf schuldig, dem wirklichen Vater von Mike, der vor vielen Jahren unter ungeklärten Umständen ums Leben kam. Aber Mikes Mutter Elke (Jenny Schily) ist von dem plötzlichen Geschäftssinn ihres Sohnes gar nicht begeistert. Sie warnt ihn vor dem aalglatten Machtmenschen Böhm. Das Verwirrende ist nur: Elke stand Böhm zu DDR-Zeiten viel näher als sie heute zugibt.

Alte Seilschaften also, von denen manche heute noch halten. Andere dagegen sind zerrissen und die wichtigsten wurden neu geknüpft. Dabei ist es ganz egal, in welcher Gesellschaftsform Menschen wie Konrad Böhm ihr dämonisches Spiel treiben. In ebenso kühlen wie sehnsuchtsvollen Stadt- und Meeransichten führt Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen vor allem den Preis vor Augen, den die Verführung durch die Macht fordert: Verrat an seinem besten Freund, Misstrauen gegen jeden und gnadenlose Instrumentalisierung selbst intimster Beziehungen. Der Film zeigt die Risse an der Oberfläche. Er folgt seinen Protagonisten in die Sackgassen, in die sie bei ihrem Versuch geraten sind, in einem neuen System ein neues Leben anzufangen. In einer Mischung aus Politkrimi und Agententhriller decken die glänzend aufgelegten Schauspieler die Mechanismen der Verführung auf, die Menschen zu allen Zeiten schwach werden ließen: materielle Vergünstigungen, Lust an der Manipulation, Größenfantasien und purer Neid. Besonders Bernhard Schütz legt seine Figur erfreulich vielschichtig an. Sein Böhm bewahrt hinter aller berechnenden Bösartigkeit ein irrationales Geheimnis, ein unausrottbares Bedürfnis nach Vertrauen und (Männer)freundschaft.

Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen ist der gelungene Versuch, einen „schweren“ Stoff unterhaltsam zu verpacken. Dass er beim Max-Ophüls-Festival, wo er Premiere hatte, leer ausging, ist vielleicht auf das Bedürfnis zurückzuführen, nach [b[]ilink=13334]]Schwerkraft[/ilink] im vergangenen Jahr nicht erneut einen Film auszuzeichnen, der keine Berührungsängste vor Genre-Anleihen kennt.

Das System - Alles verstehen heißt alles verzeihen

Wie macht man das Geschäft seines Lebens? Ganz einfach: Man kontaktiert die richtigen Freunde in den richtigen Positionen, räumt ein paar Konkurrenten aus dem Weg und wirft alle Skrupel über Bord. Nur ein Klischee?
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