Über uns das All

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Himmel und Hölle

Über uns das All ist einer dieser kleinen, leisen Filme, die einem im überbordenden Festivalprogramm der Berlinale auflauern und dann herrlich überraschen. Vor allem in der ersten Hälfte ist dieser Film ein wunderbar puristischer Suspense-Thriller. Darum soll auch vom Inhalt nicht allzu viel erwähnt werden. Nur so viel: Martha (Sandra Hüller) und ihr Mann Paul (Felix Knopp) sind beide glücklich und erfolgreich. Paul promoviert gerade in Medizin, seine Arbeit ist laut seines Professors ein „Meilenstein“. Ein Job in Marseille ist auch schon gefunden. Die beiden packen die Koffer und Paul fährt schon einmal vor. Doch dann erhält Martha eine schreckliche Nachricht.
Anfangs muss man sich erst ein wenig an den Stil der Erzählung gewöhnen. Die Bilder sind stilisiert und klar, Hüllers Martha bringt einen ganz eigenen Charakter mit, Knopps Paul ist erst ein ganz angenehmer Typ, doch schnell merkt man, dass unter der Oberfläche etwas mit ihm nicht stimmt. Und dann ist Martha plötzlich allein mit sich und ihr Leben liegt in Trümmern. Mit unglaublichem Gespür für Details inszeniert Regisseur Jan Schomburg nun diese Frau mitten im Verlust und in der Haltlosigkeit ihrer neuen Situation auf die sie mit völliger Leugnung der Realität antwortet. Dabei bleibt Hüllers Martha stets ganz eigen und hochgradig menschlich, ohne kitschigen Klischees zu erliegen. Intimität und Nähe zur Figur schafft sie durch kleine Gesten, kurze Änderungen der Mimik und mittels immer wieder spannender und überhaupt nicht voraussehbarer Äußerungen und Scherzen, die so deplatziert sind, dass sie schon wieder eine perfekte Antwort darstellen und mehr über ihr Innenleben preisgeben, als jeder minutenlange Monolog. Nichts an diesem Film ist beliebig, die Genauigkeit ist überragend, ja sogar euphorisierend. Dabei wird Über uns das All aber niemals stumpf und mechanisch.

Schomburg baut in der Mitte des Films eine Perspektivverschiebung ein, die es erlaubt, die Gesamtsituation und vor allem Martha aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ab diesem hier wird der Film mehr zu einem psychologischen Kammerstück, das aber nicht minder fesselnd ist. Dabei verschiebt sich auch die Fragestellung. Wo andere Filme sich nur auf Verlust und Trauerbewältigung konzentrieren, spinnt Schomburg das Gedankenkonstrukt weiter. Mit dem Eintritt Alexanders in Marthas Leben verlagert sich der Fokus auf das, was nach dem Trauern kommt. Wie kann man eine neue Beziehung anfangen und wie wird diese aussehen? Ist sie wirklich neu oder nur ein Ersatz für die alte, zerbrochene Vorgeschichte?

Über uns das All

„Über uns das All“ ist einer dieser kleinen, leisen Filme, die einem im überbordenden Festivalprogramm der Berlinale auflauern und dann herrlich überraschen. Vor allem in der ersten Hälfte ist dieser Film ein wunderbar puristischer Suspense-Thriller. Darum soll auch vom Inhalt nicht allzu viel erwähnt werden. Nur so viel: Martha (Sandra Hüller) und ihr Mann Paul (Felix Knopp) sind beide glücklich und erfolgreich.
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Meinungen

Hildebrand, M. · 03.09.2012

Die Figur der Martha ist fesselnd bis zum Ende. Ihre Direktheit, die oft sprachlos macht und ihre Mimik dazu, macht den Film absolut spannend.

M. Nawroth · 28.10.2011

Dieser Film ist wirklich Extraklasse, tief psychologisch, spannend, keine Klischees, lässt Fragen offen, beste Darstellung einer Frauenfigur, die ich je gesehen habe. Jedenfalls vergisst man danach alles vorherige :-) Und zeigt eine Möglichkeit der Verarbeitung von tiefem Schmerz wider jeglicher Bewertung und zugleich ernste Warnung an alle, Bewertungen anderer überhaupt zu unterlassen.

Rolf Fürthner · 15.10.2011

Sandra Hüller ist wirklich eine der besten deutschen Filmschauspielerinnen. Allein dafür lohnt es sich schon diesen Film gesehen zu haben.