Toast

Eine Filmkritik von Lida Bach

Wie man zum TV-Koch wird

Wird Weißbrot geröstet erlangt es eine mystische Erhabenheit, die sich dem Normalsterblichen entzieht. Ehemals labbrige Brotscheiben sind plötzlich einer Operndiva würdig oder verwandeln sich in eine Dinner-Ansprache. Toast war es auch würdig, Titel der autobiografischen Erinnerungen des britischen TV-Kochs Nigel Slater zu werden. Und staubtrocken wie Toast ist auch S. J. Clarkson Filmadaption der kulinarischen Kindheitserinnerungen.
Der Weg zum Herzen eines Mannes führt durch den Magen, predigt Mrs. Potter (Helena Bonham-Carter). Der junge Nigel Slater (Freddie Highmore) setzt das Mantra seiner Stiefmutter in kulinarische Großtaten um. Den Konkurrenzkampf um die Liebe von Nigels Vater (Ken Scott), den die einstige Hausangestellte der Slaters nach dem Tod von Nigels Mutter (Victoria Hamilton) geheiratet hat, tragen die beiden am heimischen Herd aus. Das perfekte Rezept für Zitronen-Baiser-Torte kann über alles entscheiden. Nicht nur über den Haussegen, sondern über die Zukunft Nigels, der von einer Karriere als Sternekoch träumt.

Es gibt viele potentielle Gründe für Nigel seine Stiefmutter nicht zu mögen. Weil sie die Stelle seiner Mutter eingenommen hat, weil er mit ihr um die Liebe des Vaters konkurriert, weil er mit ihr in der Küche konkurriert. Der eigentliche Grund aber scheint ein anderer, der sich indirekt in den Äußerungen Nigels verrät. Er verachtet sie für ihren Beruf und ihre Herkunft. Als Hausmädchen gehört Mrs. Potter zur Unterschicht. Dass sie Klassengrenzen überschreitet, widerstrebt dem insgeheim biederen Nigels. Den sexualisierten Blick seines Vaters auf die eigenen Hausangestellten teilt er hingegen.

Nigels Weltsicht ist die eines Sohnes der wohlsituierten Mittelschicht, der sich einiges auf seine Gutbürgerlichkeit einbildet. So avantgardistisch und tolerant wie er sich als Held von S. J. Clarksons biografischer Tragikomödie ist, ist er längst nicht. Dies gilt für seine Kochkunst ebenso wie für seine Weltsicht. Der Umstand, dass er schwul ist und damit in den späten 1960ern einen schweren Stand in Wolverhampton hatte, macht ihn nicht automatisch zu einem weltoffenen Geist. Und muss man tatsächlich ein Gourmet sein, um Dosenfleisch nicht für Edelgerichte zu halten? Reichen dazu nicht einfach funktionsfähige Geschmacksnerven?

Bemerkenswert erscheinen die Gerichte nicht, die der junge Nigel konzipiert. Spaghetti Bolognese. Sonderlich originell war der Kindergericht-Klassiker schon damals nicht, besser gesagt: er war es nie. Eine ungewöhnliche Alternative zu schwerer englischer Hausmannskost sind Nudeln mit Hackfleischsoße genauso wenig. Vielmehr erscheinen sie als eine Variation davon. Genau das scheint Nigel mit seiner eigenen Küche realisieren zu wollen. Auf den Tisch kommen immer noch Kartoffeln mit Fisch in Essig ertränkt. Nur fügt Küchenprofi Nigel noch eine Prise Thymian hinzu. Wer wäre darauf je gekommen? Die Köche des Londoner Savoy Hotels jedenfalls nicht, weshalb Nigel in dessen Edelrestaurant umgehend als Küchenchef engagiert wird. Beim passgenauen Happy End von Toast schmelzen bestenfalls eingefleischte Koch-Show-Fans wie Butter dahin. Die anderen werden am Morgen nach der Berlinale Kinonacht lieber Coffee & Cigarettes konsumieren. Nebenbei auch der bessere Film.

Toast

Wird Weißbrot geröstet, erlangt es eine mystische Erhabenheit, die sich dem Normalsterblichen entzieht. Ehemals labbrige Brotscheiben sind plötzlich einer Operndiva würdig oder verwandeln sich in eine Dinner-Ansprache. Toast war es auch würdig, Titel der autobiografischen Erinnerungen des britischen TV-Kochs Nigel Slater zu werden. Und staubtrocken wie Toast, ist auch S. J. Clarkson Filmadaption der kulinarischen Kindheitserinnerungen.
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