Liebeswahn

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Donnerstag, 31. März 2011, ARTE, 20:15 Uhr

Dass Verliebtheit und Liebe geradezu wahnhaft ausgeprägt sein können, ist zunächst einmal eher ein Schmunzel-Phänomen, vor allem in der Anfangsphase der Anbahnung einer zugeneigten Beziehung. Wenn diese sich allerdings höchst einseitig gestaltet, die Träume, Wünsche und Sehnsüchte an der harten Realität abprallen und der doch vorgeblich so heftig liebende Mensch sich in einen hartnäckigen Tyrannen verwandelt, nimmt die Situation pathologische Züge an. Liebeswahn des französischen Filmemachers Michel Spinosa, der unter dem Originaltitel Anna M. 2007 in der Sektion Panorama im Rahmen der Berlinale uraufgeführt wurde, erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die sich gefährlich dicht in die Passion für einen Arzt verstrickt.
Es ist ein monotones, tristes Dasein, das die aparte junge Anna (Isabelle Carré) in Paris führt. Tagsüber arbeitet sie als Restauratorin in der französischen Nationalbibliothek umgeben von alten Büchern, und ihre Freizeit verbringt sie überwiegend mit ihrer ernsthaften Mutter (Geneviève Mnich), mit der sie auch zusammenlebt. Unglücklich in ihrer festgefahrenen Einsamkeit wirft sich Anna eines Tages vor ein Auto, und im Krankenhaus, wo ihr gebrochenes Bein behandelt wird, macht sie angelegentlich die Bekanntschaft des attraktiven Arztes Dr. André Zanevsky (Gilbert Melki). Bezaubert von der Freundlichkeit dieses anziehenden Mannes legt sie sich mächtig ins Zeug, um über die medizinische Versorgung hinaus Begegnungen mit ihm herbeizuführen und ihm näher zu kommen, doch Zanevsky, der mit seiner Frau Marie (Anne Cosigny) eine angenehme Ehe führt, weist Annas Verführungsversuche deutlich zurück. Doch die Restauratorin weigert sich, dies wahrzunehmen, geschweige denn zu akzeptieren, und ihre Schwärmerei wächst sich zu einer permanenten Belästigung des Arztes aus …

Obwohl Liebeswahn durchaus auch spannende Momente aufweist, denen mitunter die Qualität eines Thrillers anhaftet, steht doch die krankhafte Entwicklung der jungen Frau im Fokus des Films, die auf eindringliche Weise von Isabelle Carré verkörpert wird, die für diese Rolle als Beste weibliche Darstellerin mit dem Étoile d’or du cinéma français ausgezeichnet und für einen César nominiert wurde. Doch Michel Spinosa, der auch das Drehbuch verfasste und im Vorfeld umfangreiche psychologische Nachforschungen für seine Geschichte anstellte, geht es dabei nicht so sehr um hintergründige Erklärungen, als vielmehr um die ausführliche Darstellung eines drastischen Prozesses, dessen grenzüberschreitende Dynamik von Hoffnung über Trotz bis hin zu purem Hass hier gelungen entfaltet wird. Das ein wenig seltsam anmutende Ende dieses pointierten Dramas produziert einiges an Nachdenklichkeiten über das Hauptthema hinaus, so dass Liebeswahn insgesamt zu einem ernsten, intensiven Stück über unerfüllbare menschliche Sehnsüchte und auch die heilsame Möglichkeit der Sublimierung geraten ist.

Liebeswahn

Dass Verliebtheit und Liebe geradezu wahnhaft ausgeprägt sein können, ist zunächst einmal eher ein Schmunzel-Phänomen, vor allem in der Anfangsphase der Anbahnung einer zugeneigten Beziehung.
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