Das Mädchen aus der Streichholzfabrik (1989)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ostersonntag, 24. April 2011, 3sat, 00:05 Uhr

In seiner pointierten, wortkargen Tristesse stellt dieses Werk des finnischen Filmemachers Aki Kaurismäki aus dem Jahre 1989 ein cineastisches Kleinod dar, das sowohl stilistisch als auch inhaltlich gleichermaßen brillant wie schwerlastig daherkommt. Als letzter Teil der „Proletarischen Trilogie“ des Regisseurs nach Schatten im Paradies / Varjoja paratiisissa (1986) und Ariel (1988) markiert Das Mädchen aus der Streichholzfabrik auf gekonnt puristische Weise einen Meilenstein des europäischen Autorenfilms, der mit eindringlichen Bildern von der unauslotbaren Einsamkeit einer ausgebeuteten Kreatur erzählt.

Dass die junge Frau, die zu Anfang des Films als kontrollierender und doch ungeheuer verloren wirkender Mensch inmitten von gleichförmigen, pulsierenden Produktionsprozessen verortet wird, Iris (Kati Outinen) heißt, erfährt der Zuschauer erst eine gute Weile später. Denn an ihrem Arbeitsplatz in der Streichholzfabrik sowie auch innerhalb ihres privaten Umfelds verschwindet ihre Persönlichkeit nahezu vollständig hinter ihrer Funktion als Arbeiterin und Versorgerin ihrer abgestumpften Mutter (Elina Salo) und ihres ebenso überwiegend lethargischen Stiefvaters (Esko Nikkari), bei denen sie wohnt, ohne auch nur einen eigenen Raum zu haben. Als sie sich eines Tages von ihrem Lohn ein hübsches Kleid kauft, wollen die beiden sie brutal zwingen, es zurückzugeben, doch dieses Mal bricht Iris aus und geht tanzen. Dabei gerät sie schließlich an den kaltschnäuzigen Aarne (Vesa Vierikko), der sie ebenfalls herablassend behandelt, von dem sie prompt schwanger wird und verletzende Ablehnung erfährt. Nun zieht Iris zu ihrem Bruder (Silu Seppälä) in augenscheinlich entspanntere Gefilde, doch innerlich kocht ihre Ohnmacht zu einem drastischen Plan heran …

Bei der Berlinale mit dem Interfilm Award sowie einer lobenden Erwähnung im Rahmen des OCIC Awards ausgezeichnet war Das Mädchen aus der Streichholzfabrik seinerzeit für den Europäischen Filmpreis nominiert und wurde vierfach mit dem finnischen Jussi Preis in den Kategorien Beste Schauspielerin, Beste Regie, Beste Nebendarstellerin und Bester Nebendarsteller geehrt. Innerhalb einer guten Stunde Laufzeit entwickelt Aki Kaurismäki hier ein abgründig-düsteres, bitter-böses modernes Märchen über eine an Einsamkeit und Repression verzweifelnde Protagonistin der Arbeiterklasse, das in seiner bedrückenden Intensität ein dichtes Lehrstück über die Verlorenheit der menschlichen Existenz und über die Kunst der Visualisierung fokussierten Filmschaffens gleichermaßen darstellt.
 

Das Mädchen aus der Streichholzfabrik (1989)

In seiner pointierten, wortkargen Tristesse stellt dieses Werk des finnischen Filmemachers Aki Kaurismäki aus dem Jahre 1989 ein cineastisches Kleinod dar, das sowohl stilistisch als auch inhaltlich gleichermaßen brillant wie schwerlastig daherkommt.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen