Aber das Leben geht weiter

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die beiden Seiten der Vertreibung

Früher hieß der Ort Niederlinde, heute kann man auf dem Ortsschild einen anderen Namen lesen —  Platerówka. Es ist der Ort, aus dem die Eltern der Berliner Filmemacherin Karin Kaper in den Wirren der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben wurden. Als Kind ständig mit den Erzählungen der Eltern und anderer Verwandter von den Ereignissen und dem früheren Leben in Niederschlesien konfrontiert, entwickelte sie mit der Zeit beinahe schon eine Abneigung gegen all die Geschichten. Ein Besuch in der Siebzigern in der alten Heimat der Eltern war ihr eher in schlechter Erinnerung geblieben.
Doch dann, in späteren Jahren erwachte ihr Interesse an den Hintergründen. Und es sind nicht nur die Spuren der eigenen Familie, die sie faszinierten, sondern auch die Lebenswege jener Menschen, die heute auf jenem Hof leben, der früher der Familie der Filmemacherin gehörte – der Familie Zukowska. Als Karin Kaper auf einer Reise Gabriela Matniszewska, der Tochter der Zukowskas begegnet, beschließen die beiden Frauen, die früheren Generationen der jeweiligen Familie an dem Ort zusammenzuführen, an dem sich ihre Lebenswege kreuzten.

Auch wenn Aber das Leben geht weiter ein sehr persönlicher und insgesamt vielleicht ein etwas zu langer Film geworden ist, eröffnet er doch Perspektiven der Annäherung und Verständigung, die heute, 65 Jahre nach den Ereignissen, mehr als überfällig sind. Er zeigt, wie sehr sich die Erlebnisse der Menschen auf beiden Seiten ähneln und wie nahe sie einander eigentlich sind. Die sehr offen geführten Gespräche und Begegnungen, die auch von dem privaten Zugang der Filmemacherin zu den Menschen profitieren dürften, verdeutlichen, wie sehr das eigene kleine Leben immer wieder von den Mechanismen der großen Politik beeinflusst wird, wie nachhaltig installierte Fronten und Feindbilder manchmal wirken und wie einfach sie eigentlich zu überwinden wären.

Geschichten und Erlebnisse wie jene der Zukowskas und der Kapers gibt es viele in Deutschland und Polen, in Tschechien und anderswo. Gerade weil beinahe jeder ähnliche Schicksale kennt oder zumindest schon einmal davon gehört hat, ist es umso erstaunlicher, dass sich das Kino und das Fernsehen jenen Ereignissen erst in der letzten Zeit vermehrt widmen – mit TV-Filmen wie Die Flucht, Spielfilmen wie Habermann und nun eben mit Aber das Leben geht weiter. Filme wie dieser markieren einen Anfang und machen Mut, sich der eigenen Geschichte ohne Bitternis, aber mit Offenheit zu stellen.

Aber das Leben geht weiter

Früher hieß der Ort Niederlinde, heute kann man auf dem Ortsschild einen anderen Namen lesen —  Platerówka. Es ist der Ort, aus dem die Eltern der Berliner Filmemacherin Karin Kaper in den Wirren der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben wurden.
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Meinungen

Markus Lang · 25.10.2012

Toller Film.

Elisabeth Amandi · 30.10.2011

Geht sehr stark auf die Gefühle, äußerst selten bei einem Doku-film. Schöne Bilder mit authentischen Texten der betroffenen Damen - sehr sehenswert, gerade für junge Leute, wie hart es für Menschen war, während der Kriegszeit jung zu sein!