Die Eiserne Lady

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Das Leben einer Ikone

Sie wollte schon immer mehr vom Leben als daheim am Herd zu stehen, zu putzen und die Kinder großzuziehen. Sie wollte ihr Land verändern, ihre Partei wachrütteln, ein Zeichen setzen. Das brachte ihr viel Hass und Ehrfurcht ein. Kaltherzig, stur und ehrgeizig erschien sie in der Öffentlichkeit. Dass Maggie Thatcher auch eine menschliche Seite hat, zeigt der neue Film von Mamma Mia!-Regisseurin Phyllida Lloyd. Mit Die Eiserne Lady ist der britischen Regisseurin ein erstklassiges Biopic der alten Schule gelungen. Meryl Streep spielt die ehemalige britische Regierungschefin so täuschend echt, dass man manchmal glaubt, Maggie Thatcher stünde selbst vor der Kamera.
Der Film, dessen Handlung sich über zwei Tage in der Gegenwart spannt, beginnt in einem kleinen Londoner Cornershop, in dem Thatcher gedankenverloren, zittrig und unbeholfen ein Pint frische Milch und eine Zeitung kauft. Sie ist alt geworden. Eigentlich darf sie nicht mehr allein vor die Tür, seitdem man bei ihr eine fortgeschrittene Demenz festgestellt hat. Als ihre Gegner ihr auf der Höhe ihrer politischen Laufbahn einmal vorgeworfen haben, sie habe den Kontakt zur Realität verloren, konnte sie das vehement zurückweisen, in dem sie den aktuellen Milchpreis wusste. Als Tochter eines Gemischtwarenhändlers liegen Dinge wie diese ihr noch heute am Herzen.

Dass der Milchpreis in den letzten Jahren gestiegen ist, bestimmt die Konversation mit ihrem Mann Denis (brillant: Jim Broadbent) daheim am Frühstückstisch. Doch Denis gibt es nur noch in Maggies Einbildungskraft. Er ist längst gestorben und sie hat sich vorgenommen, seine Sachen endlich auszusortieren. Bis es dazu kommt, unternimmt sie einige Reisen zurück in ihre Vergangenheit. So arbeitet sich der Film systematisch an den wichtigsten Stationen ihres Lebens ab: die Hochzeit mit Denis, die Geburt ihrer Zwillinge Carol und Mark, der Einzug als Kandidatin der Konservativen ins britische Unterhaus, ihre Zeit als Kultusministerin unter Premierminister Edward Heath, ihre Wahl zur Parteichefin der Konservativen, ihren Aufstieg zur ersten Premierministerin Großbritanniens, die Höhen und Tiefen ihrer Amtszeit und schließlich ihr Rücktritt.

Als Margaret Thatcher 1959 als Abgeordnete und damit einzige Frau ins Unterhaus einzog, bedeutete das, ihre Kinder zurückzulassen und deren Fürsorge ihrem Mann zu überlassen. Während sie ihre Pflicht darin sah, dem Staat zu dienen, fühlte sich ihre Familie von ihr allein gelassen. Doch ihr Ehrgeiz, etwas zu verändern war immer größer als ihre Mutterliebe. Wenn sie etwas wollte, blieb sie solange stur bis sie es erreichte. Nicht Gefühle waren ihr wichtig, sondern Gedanken, aus denen Taten werden sollten. Ihr reichten vier bis fünf Stunden Schlaf, dann war sie wieder fit.

Die einstige Eiserne Lady blickt wehmütig zurück auf ihre radikale Sparpolitik, den umstrittenen Krieg um die Falklandinseln, auf das Attentat der IRA auf ihr Hotel in Brighton. Rund vierzig Jahre ihres Lebens deckt der Film ab, immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangheit hin und her pendelnd, zwischen der dementen Dame von heute und der ehrgeizigen Lady von einst. Der Film lässt den Zuschauer Zeuge ihres Lebens werden und das ist spannend von der ersten bis zur letzten Minute.

Die Frau mit der Handtasche und Perlenkette spaltet die Briten heute noch so stark wie damals. Seitdem der Film im Januar in Großbritannien angelaufen ist, wird über dessen Handlung und die Interpretation von Thatcher heftig gestritten. Kritiker werfen dem Film vor, dass der Thatcherismus viel zu harmlos und die Eiserne Lady viel zu menschlich und weich dargestellt worden sei. Andere loben wiederum die private Darstellung, das menschliche Wesen hinter der Politmaske.

Und tatsächlich: Maggie Thatcher wirkt in dem ganzen Film sehr sympathisch. Einen Hauch zu sympathisch dafür, dass sie an der Spitze der wahrscheinlich meist gehassten britischen Regierung des vorigen Jahrhunderts stand, ihre Kinder oft allein gelassen, die Existenz britischer Familien durch ihre radikale Wirtschafts- und Sozialpolitik von heute auf morgen zerstört, britische Soldaten im Falklandkrieg in den Tod geschickt hat. So umstritten wie Maggie Thatcher tatsächlich war und noch immer ist, kommt leider in dem Film nicht rüber. Er zeigt, wie eisern, stur und eben menschlich sie ist. Alles andere ist zwischen den Szenen zu finden.

Die Eiserne Lady

Sie wollte schon immer mehr vom Leben als daheim am Herd zu stehen, zu putzen und die Kinder großzuziehen. Sie wollte ihr Land verändern, ihre Partei wachrütteln, ein Zeichen setzen. Das brachte ihr viel Hass und Ehrfurcht ein. Kaltherzig, stur und ehrgeizig erschien sie in der Öffentlichkeit. Dass Maggie Thatcher auch eine menschliche Seite hat, zeigt der neue Film von „Mamma Mia!“-Regisseurin Phyllida Lloyd.
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Meinungen

Cornelia · 08.03.2012

Nicht ansatzweise hat mich der Film überzeugt. Meryl Streep ist ein egroßartige Schauspielerin, das Drehbuch mehr als unvollständig. Politische Ereignisse im rasanten Tempo, Emotionen weitestgehend ausgelassen, es fehlt das Drumherum, die Familie, die Gefühle. Schade. Ich wäre nichts ins Kino gegangen, hätte ich das vorher gewusst.

wignanek-hp · 29.02.2012

Meryl Streep ist Maggie Thatcher, anders kann man es nicht ausdrücken, so irritierend perfekt ist die Maske, so grandios ihr Spiel. Es ist die private Maggie Thatcher, die wir zu sehen bekommen, die politischen Ereignisse werden in dem rasanten Film nur Schlaglicht artig benannt. Und doch, wir erfahren etwas, was uns verstört. Nämlich dass Politiker auch Menschen sind. Dass sie beides vereinen können, einen politischen Kurs, den wir ablehnen und ein Privatleben, dass nicht so viel anders ist, als das, was wir selber kennen. Das mag viele Kritiker von Maggie Thatcher enttäuschen, die einen Film erwartet haben, der sich mehr mit der Politikerin auseinandersetzt. Doch der Film setzt andere Prioritäten. Er zeigt eine Frau mit einem unbändigen Willen zur Macht, die diesem Ehrgeiz alles unterordnet. Dabei wird durchaus deutlich, welch fatalen Weg sie dabei beschritt und wie nah sie dadurch dem Abgrund war. Ihr Verlust an Realität führt dann ja auch zwangsläufig zu ihrem Sturz. Insofern ist es auch ein Film über Politik, über ihre Mechanismen, die durchaus von einzelnen ausgenutzt werden können. Wenn man etwas an dem Film kritisieren möchte, dann ist es seine Rasanz. Der Zuschauer kommt kaum zum Atemholen, so schnell folgen die Ereignisse aufeinander.