The Ides of March - Tage des Verrats

Eine Filmkritik von Festivalkritik Venedig 2011 von Patrick Wellinski

Im Würgegriff der Politik

Der Wahlkampf naht: 2012 werden die US-Amerikaner entscheiden, ob Präsident Obama noch mal ins Weiße Haus einziehen darf, oder ob nicht ein Republikaner die Regierungsgeschäfte übernehmen soll (vorausgesetzt, die Konservativen werden sich auf einen Kandidaten einigen, was momentan ganz und gar nicht danach aussieht). Dominieren wird ohnehin das Gefühl der Enttäuschung. Das Schicksal hat gegen den ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten gespielt: Arbeitslosigkeit, Weltwirtschaftskrise, eine enttäuschende Gesundheitsreform sind wahrlich nicht die beste Grundlage, um das Wahlvolk noch ein letztes Mal von sich zu überzeugen.
Die Amerikaner bekommen ohnehin den Eindruck, dass Versprechungen und erbauliche Reden in einer postdemokratischen Welt nichts weiter als Lippenbekenntnisse sind. Das legt auch der Film The Ides of March – Tage des Verrats nahe. In dem äußerst gelungenen Werk von George Clooney (er spielt nicht nur eine der Hauptrollen, sondern führt auch Regie), geht es um den blutigen Konkurrenzkampf zweier machthungriger Politiker. Der Wahlkampf wird zwischen dem rhetorisch brillanten Demokraten Governor Mike Morris (George Clooney) und dem Republikaner Senator Pullman (Michael Mantell) ausgetragen. Der Zuschauer erlebt die Schlacht aus der Perspektive des jungen, aufstrebenden und ungemein talentierten Wahlkampfstrategen Stephen Meyers (großartig: Ryan Gosling). Anfangs ist der 30-Jährige mit Herzblut bei der Sache: Er will nicht nur Karriere machen und sich einen Job beim zukünftigen Präsidenten sichern, sondern glaubt auch ideologisch an die guten Absichten seines Arbeitgebers. Der Wind dreht sich erst, als Tom Duffy (Paul Giamatti), Wahlkampfleiter der Konkurrenz, Stephen zum Gespräch bittet und ihm einen lukrativen Job anbietet – mit dem Hinweis, dass die Demokraten ohnehin chancenlos wären. Was tun? Idealistisch bleiben? Oder lieber den besseren Job annehmen und an das Geld denken? Stephens zögert, entscheidet sich aber schließlich gegen das Angebot.

Alles wäre gut, wenn Stephens Vorgesetzter Paul Zara (Philip Seymour Hoffman) nicht auf das Treffen mit Unverständnis und radikaler Ablehnung reagieren würde. Der Chef sieht sein Vertrauen missbraucht, auch wenn es der Zweifler Stephens höchstpersönlich ist, der nach einer Bedenkzeit von dem Zwischenfall erzählt. Es nützt nichts: Stephens muss gehen. Was der Wahlkampfstab um Governor Mike Morris bedauerlicherweise noch nicht weiß, ist, dass Stephens eine Affäre mit der 20-jährigen Praktikantin Molly (Evan Rachel Wood) hatte, die ihm in einem nervenaufreibenden Gespräch beichtet, dass der vorbildliche Familienvater Governor Morris sich ebenso mit ihr zu vergnügen verstand. Das Ergebnis: eine Schwangerschaft und eine Abtreibung, zu der Stephens die junge Praktikantin, noch im Dienste seines ehemaligen Chefs (jedoch ohne sein Wissen), nötigen musste. Als Verprellter nutzt er nun die Informationen als Druckmittel, um einen neuen, besseren Job zu erpressen. Doch wird der Governor auf das zwielichtige Angebot eingehen? Kann Stephens überhaupt beweisen, dass der Präsidentschaftskandidat eine Affäre hatte? Die Sache ist vertrackt, denn in der Zwischenzeit hat sich das Mädchen auf tragische Weise das Leben genommen. Das Spiel um Macht, Geld und Prestige beginnt sich in einer unheimlich spannenden dramaturgischen Spirale zu verdichten.

The Ides of March – Tage des Verrats ist ein Film zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, mit einem Gespür für drängende zeithistorische Fragen: Der Polit-Thriller lässt den Zuschauer darüber nachdenken, wie es hinter den Kulissen der konventionellen Politik aussieht, welche Interessen in Wahlkämpfen eine Rolle spielen und wie wichtig Inszenierungsstrategien sind, um im politischen Geschäft zu überleben. Besonders beeindruckend ist die Besetzung der Rollen: schon dafür allein lohnt das Kinobillet. Wo kann man sonst Paul Giamatti, George Clooney und den neuen, die nächsten Jahre das Kino tief prägenden Jungstar Ryan Gosling zusammen auf einer Leinwand erleben? Die schauspielerische Leistung ist großartig und das Drehbuch von George Clooney, trotz eines relativ unspektakulären Starts, ein gelungener Wurf samt heikler Spannungsmomente und atemberaubender Bögen.

Was jedoch den Film zu einem Ausnahmeerlebnis macht, ist der klug platzierte und gut versteckte Kommentar auf das moderne Amerika, der aus den Zwischentönen herausgehört werden kann. Natürlich steckt in Governor Morris auch ein wenig Obama, der in den vergangenen Jahren den aufgeschlossenen, toleranten und veränderungsfreudigen Teil der Vereinigten Staaten tief enttäuscht hat. Dieser Film ist als eine Provokation zu betrachten, die bei den Adressaten, vornehmlich den Demokraten, hoffentlich ankommen wird und vielleicht, im besten Falle, darüber nachdenken lässt, ob Politik wirklich das richtige Spielfeld für Lippenbekenntnisse ist.

The Ides of March - Tage des Verrats

Der Wahlkampf naht: 2012 werden die US-Amerikaner entscheiden, ob Präsident Obama noch mal ins Weiße Haus einziehen darf, oder ob nicht ein Republikaner die Regierungsgeschäfte übernehmen soll (vorausgesetzt, die Konservativen werden sich auf einen Kandidaten einigen, was momentan ganz und gar nicht danach aussieht).
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Meinungen

Modestmouse · 30.12.2011

Pullman ist ebenfalls Demokrat. Pullman und Morris befinden sich im Rennen um die Vorauswahl des demokratischen Präsidentschaftskandidaten.
„Was jedoch den Film zu einem Ausnahmeerlebnis macht, ist der klug platzierte und gut versteckte Kommentar auf das moderne Amerika, der aus den Zwischentönen herausgehört werden kann.“ Der Film zeigt weder unbekannte Seiten des Wahlkampfs noch hat er eine solche Tiefe das man von Zwischentönen sprechen könnte.
Patrick Wellinski bringt die Sache auf den Punkt: Drehbuch schlecht, Schauspieler gut, Spannung nicht wirklich. The Ides of March ist kein Politthriller; wenigstens keiner den man sich Anschauen muss.

Ilsa · 13.12.2011

Auf den Film freue ich mich schon eine ganze Weile! ENDLICH!

Bree · 13.12.2011

Grad in der Sneak gesehen. Großartig!
Liebe, Verrat, Leidenschaft, Korruption, Machtgier ... Ganz großes Kino in Shakespeare-Manier, perfekt ausgespielt. Mehr davon, Clooney!