Vogelfrei (1985)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Montag, 1. August 2011, ARTE, 20:15 Uhr

Da wird eines Wintermorgens in einer ländlichen Region Südfrankreichs, nachdem die nächtlichen Temperaturen unter den Gefrierpunkt sanken, eine junge Frau von einem Landarbeiter im Straßengraben unweit eines Weinbergs tot aufgefunden. Die Gendarmerie erscheint, birgt die Leiche und geht von einem natürlichen Tod durch Erfrieren aus. Doch wer war diese Person, und warum trieb sie sich allein im Winter in dieser Gegend herum? Ihr Leichnam wurde im Gemeindegrab beigesetzt, da niemand Anspruch darauf erhob, und in ihrem Spielfilm Vogelfrei aus dem Jahre 1985 rekonstruiert die große französische Filmemacherin Agnès Varda Fragmente aus dem kurzen Leben der Vagabundin Mona Bergeron (Sandrine Bonnaire), die ihre bürgerliche Existenz hinter sich gelassen hatte und offensichtlich auf der Suche nach der ganz großen Freiheit war.

Ihren Namen kannten nur wenige, doch an ihre Erscheinung und ihr ungezähmtes Wesen erinnern sich die Menschen, denen sie in ihren letzten Lebenswochen begegnete, ganz genau. Denn diese jahreszeitlich unübliche Landstreicherin, die in der Gegend von Le Midi herumzog, hat mit ihrer kompromisslosen, ungefälligen Art ihre Umgebung nachhaltig beeindruckt. Galt sie für manche in der Kargheit des unwirtlichen Winters schlichtweg als verrückt, erschien sie doch vielen als unabhängige, energische und starke Frau, die zumindest wusste, was sie nicht mehr wollte und dafür die Unannehmlichkeiten, ohne „Dach und Gesetz“ zu sein, in Kauf nahm. Damit hielt sie den Sesshaften, in Gemeinschaft und einer täglichen Routine Lebenden den Spiegel vor, in dem sich auch die menschliche Einsamkeit abbildete.

Agnès Varda erzählt mit starken Bildern und von atmosphärisch tragischer Musik flankiert die Geschichte der Mona Bergeron, die sich aus den Erinnerungen ihrer letzten Weggefährten ergibt. Immer wieder findet die Vagabundin zunächst recht angenehmen Anschluss, doch langfristige Beziehungen scheitern an ihrem unbedingten Drang nach freier und unabhängiger Lebensgestaltung. Vogelfrei, der bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen, dem FIPRESCI-Preis und dem OCIC-Award ausgezeichnet und für den Sandrine Bonnaire unter anderem mit einem César prämiert wurde, gelingt es ohne Sentimentalitäten, in halb-dokumentarischem Stil und auf bewegende Weise, die Sehnsucht nach Freiheit und auch deren Preis anhand eines außergewöhnlichen Frauenschicksals auszuloten, das letztlich in einem Straßengraben endete.
 

Vogelfrei (1985)

Da wird eines Wintermorgens in einer ländlichen Region Südfrankreichs, nachdem die nächtlichen Temperaturen unter den Gefrierpunkt sanken, eine junge Frau von einem Landarbeiter im Straßengraben unweit eines Weinbergs tot aufgefunden. Die Gendarmerie erscheint, birgt die Leiche und geht von einem natürlichen Tod durch Erfrieren aus. Doch wer war diese Person, und warum trieb sie sich allein im Winter in dieser Gegend herum?

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