Gerhard Richter Painting

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Mitten im Allerheiligsten

Malen unter Beobachtung ist das schlimmste, was es gibt. Das sagt Gerhard Richter, einer der weltweit anerkanntesten und teuersten lebenden Künstler. Dennoch hat sich der 79-Jährige dieser Operation unterzogen, die ihm schmerzhafter vorkommt als ein Klinikaufenthalt. Und damit einen faszinierend intimen Dokumentarfilm ermöglicht, der Schicht für Schicht in die Geheimnisse des künstlerischen Prozesses vordringt, ohne ihren Zauber zu verraten.
Gerhard Richter Painting – die drei Worte enthalten die Seele und Essenz des Films. Es geht um den Künstler beim Malen, um nicht mehr und nicht weniger. Also um einen Mann in einem weitgehend leeren weißen Atelier, um zwei weiße Leinwände, eine überschaubare Zahl von Farbeimern und um das, was dann passiert. Wie mit breitem Pinsel die ersten kräftigen Linien entstehen, wie sich nach und nach Farben auf der Leinwand mischen und wie plötzlich ein ganz neues Bild entsteht, weil Richter mit der so genannten „Rakel“, dem Abstreifholz für überschüssige Farbe, etwas überraschend anderes kreiert.

Aber natürlich sind es nicht nur die äußeren Aspekte der Malerei, die diesen Film so einzigartig machen. Es sind die Einblicke in das Innere der Arbeit. Zweifel, Skepsis, Nachdenklichkeit, Irrwege, neues Ansetzen – all das ist in Richters Augen und Mienenspiel zu lesen wie in einem aufgeschlagenen Buch. Und sicherlich hat der Künstler Recht mit seinem eingangs zitierten Protest gegen das Auge der Kamera, der theoretisch auch zum Abbruch der Dreharbeiten hätte führen können. Hier lässt einer die Öffentlichkeit teilhaben an einem Prozess, der für ihn ganz wesentlich ein heimlicher ist. Etwas, das eigentlich nur im Allerheiligsten eines einsamen Ateliers gelingen kann.

Dass sich der Künstler über die Schulter schauen ließ, hat mit dem Vertrauen zu tun, das sich die Kölner Regisseurin Corinna Belz 2007 erwarb, als sie Das Kölner Domfenster drehte, eine 45-minütige Dokumentation über das Glasmosaik, das der Künstler für das Wahrzeichen seiner Heimatstadt schuf. Damals entstand die Idee für einen längeren Film. Zuvor hatte der öffentlichkeitsscheue Künstler Richter 15 Jahre lang alle Anfragen für ähnliche Vorhaben abgeblockt.

Corinna Belz macht es bei ihrer klug komponierten Collage aus älterem Material und aktuellen Begegnungen ähnlich wie Richter in seiner Malerei: Sie nimmt sich Zeit. So kann der Zuschauer nach und nach eintauchen in die Schaffenswelt des Künstlers, kann sich vertraut machen mit den Besonderheiten seiner Arbeitsweise, kann „Mäuschen spielen“, wenn sich im Atelier eine Spannung ganz eigener Art aufbaut. Die entsteht nicht zuletzt dadurch, dass sich Corinna Belz auf das „Leben“ zweier Bilder konzentriert – ihre ersten Versionen, das Hadern des Künstlers mit ihnen und die Frage, ob sie die „Härteprobe“, nämlich das Aufgehängtwerden in Richters zweitem Atelier, überleben. Ob sie das können, weiß niemand. Nicht einmal die beiden langjährigen Assistenten Richters und schon gar nicht der Meister selbst. „Das sieht doch recht fertig aus“, kommentiert einer der Assistenten ein anderes Werk Richters. Der Mann ist sich hier – gegen seine sonstige Gewohnheit – ziemlich sicher. Und soll doch unrecht behalten.

„Über Malerei zu reden ist Unsinn“, sagte Gerhard Richter schon in den 1960er Jahren. Infolgedessen ist es nicht nur vom Tempo her ein ruhiger Film geworden, der durch stille Konzentration auf das Wesentliche besticht. Aber ganz wortlos ist Richter natürlich auch nicht. Er redet ungern über seine Kunst. Aber aus den wenigen Kommentaren, die er fallen lässt, kreiert der Film ein bemerkenswert vollständiges Bild.

Gerhard Richter Painting

Malen unter Beobachtung ist das schlimmste, was es gibt. Das sagt Gerhard Richter, einer der weltweit anerkanntesten und teuersten lebenden Künstler. Dennoch hat sich der 79-Jährige dieser Operation unterzogen, die ihm schmerzhafter vorkommt als ein Klinikaufenthalt. Und damit einen faszinierend intimen Dokumentarfilm ermöglicht, der Schicht für Schicht in die Geheimnisse des künstlerischen Prozesses vordringt, ohne ihren Zauber zu verraten.
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