4:44 - Last Day on Earth

Eine Filmkritik von Festivalkritik Venedig 2011 von Patrick Wellinski

Wer skyped, der bleibt

Zwei Pärchen sitzen in einem New Yorker Apartment, da klopft Willem Dafoe ans Fenster und verlangt Einlass. Spätestens jetzt müsste jedem klar sein, dass der Weltuntergang kurz bevor steht. In Abel Ferraras Endzeitfilm wird die Erde um genau 4:44 Uhr auf ewig verschwinden. Zeit genug für den Regisseur von Bad Lieutenant und Body Snatchers uns ungeheuer nervige 85 Minuten lang mit Willem Dafoes und Shanyn Leighs Beziehungsstress zu langweilen. Er spielt einen Schauspieler, sie eine Malerin. Sie haben Sex, streiten sich, sie malt doppelköpfige Schuppentiere wie Jason Pollock für Arme, er skyped mit der Familie, brüllt wahllos Menschen auf der Straße an und besorgt sich später Drogen, um sich einen Schuss zu setzen.
Ferraras konzept- und ideenlose Inszenierung ist nur eine der vielen Ärgernisse auf dem mühsamen Weg, den man als Zuschauer zurücklegen muss, um das Ende von 4:44 – Last Day on Earth zu erreichen. Das Skript bietet große und kleine Lächerlichkeiten im Sekundentakt und zeigt nicht das geringste Interesse an seinen Figuren. Wie Dafoe und die nervige Shanyn hier herumbrüllen, sich entblößen und planlos durch das Set bewegen, ist zu jeder Zeit peinlich. Es ist vollkommen unverständlich, wieso sich beide hier derart blamieren müssen, um die unklaren und wirren Fantasien eines Regisseurs zu bedienen, der seine Kreativität und Originalität für dieses Projekt nicht abrufen kann.

Abstrus wird es auch, wenn der Film versucht, die Ursachen für den drohenden Weltuntergang zu zeigen. Ständig laufen in 4:44 die Fernseher, Laptops und iPads. Es sind Bilder von Menschenmassen und Endzeitpropheten, Protesten, bei denen Kerzen in den Himmel gehalten werden und Einstellungen von leeren Straßen und Dörfern. Alles nach dem Motto: „Doomsday will be televised“. Und plötzlich sitzt da Al Gore beim US-Talkmaster Charlie Rose und erklärt uns, dass der Untergang unsere Schuld sei, dass das Ozonloch derart angewachsen ist, dass der ganze Planet in Kürze explodieren wird. Irgendeiner sagt dann noch den blöden, aber im Kontext des Films prophetischen Satz: „Al Gore hatte Recht“. Was wir damit anfangen sollen, bleibt unklar, wie so vieles in diesem Film, dessen angestrengte Ernsthaftigkeit schockierend naiv ist.

Und man könnte noch weiter von der Sinnlosigkeit jeder Einstellung sprechen, von Nordlichtphänomenen, die wie billige Screensaver aussehen, von einem dümmlichen Fast-Dialog zwischen dem Dalai Lama (!) und Willem Dafoe und und und … Es ist erstaunlich, dass Ferrara für seine Weltuntergangsvision die zwei unsympathischsten, dümmsten Einwohner dieses Planeten ausgesucht hat. War das Absicht? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Es ist letztendlich auch egal, weil die ganze uninspirierte Inszenierung nur ein ganz großes Missverständnis aller Beteiligten sein kann. Der Weltuntergang im Kino ist seit diesem Jahr eh einzig und allein Lars von Triers Melancholia vorbehalten. Dabei sollten wir es unbedingt belassen.

(Festivalkritik Venedig 2011 von Patrick Wellinski)

4:44 - Last Day on Earth

Zwei Pärchen sitzen in einem New Yorker Apartment, da klopft Willem Dafoe ans Fenster und verlangt Einlass. Spätestens jetzt müsste jedem klar sein, dass der Weltuntergang kurz bevor steht. In Abel Ferraras Endzeitfilm wird die Erde um genau 4:44 Uhr auf ewig verschwinden.
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