Elena

Elena (Nadezhda Markina) und Vladimir (Andrey Smirnov) sind ein in die Jahre gekommenes Paar. Sie haben unterschiedliche Wurzeln: Während Vladimir ein wohlhabender, aber gefühlskalter Mann ist, stammt Elena aus bescheidenen Verhältnissen. Beide haben Kinder aus vorangegangen Ehen. Vladimirs Tochter ist eine nachlässige junge Frau, die wenig mit ihrem Vater verbindet. Nachdem Vladimir wegen eines Herzinfarktes ins Krankenhaus gekommen ist, versöhnen sich die beiden jedoch. Vladimir entscheidet: Seine Tochter soll sein gesamtes Vermögen erben. Als er dies bei seiner Heimkehr Elena eröffnet, ersinnt die sonst schüchterne und unterwürfige Hausfrau einen Plan, um ihrem arbeitslosen Sohn und dessen Enkeln eine Chance im Leben zu geben…
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Meinungen

Norbert Mecklenburg · 19.09.2012

Elena
Filmisches Kammerspiel über sozialpsychologische Beschädigungen, gezeigt an einer Mutter – absolute Hauptperson -, ihrer total verkümmerten Ehe und ihrer Familie (Sohn plus Familie; Stieftochter). Filmästhetisch und schauspielerisch eindrucksvoll durch ‚minimal art‘ ohne überflüssige Effekte, mit wenig, aber stimmiger Symbolik. Gender-Rollen im Spät-Patriarchat intensiv und kritisch ausgearbeitet: Frau als Sklavin und Muttertier oder als unselbständiges ‚Vaterkind‘, Mann als etablierter, aber verknöcherter Herrscher oder als aus der Bahn geratener, alkoholsüchtiger oder gewaltgieriger Sohnes-Sohn. Offener Schluss: Was soll – unter diesen Bedingungen – nur aus diesen Enkeln werden?
Als Sozialreportage aus dem heutigen Russland in Familienstory-Form ist der Film zu sehr stilisiert: das durch und durch negative Grau in Grau der Verhältnisse und Beziehungen; die allzu enge Reduktion des Personenensembles auf die Familie (einmal eine junge Fitness-Übende; einmal eine aufräumende Krankenschwester, einmal der Anwalt – absolute Nebenfiguren); die Ausblendung der Familiengeschichte; die symbolisch dick aufgetragene wie psychologisch wenig motivierte Zuspitzung zu einem Mord; der im Augenblick der ‚glücklichen Lösung‘ – Geld fürs Studium – in Banden-Gewalt sich austobende Enkel usw. Als exemplarisch erzählende Reportage ist die Familien-Geschichte nicht intensiv genug ‚syntagmatisch‘, d. h. durch reale Beziehungen, mit der Gesellschaft verbunden, in die sie doch eingebettet ist.
Diese dick aufgetragene Stilisierung legt es nahe, den Film nicht als Sozialreportage, sondern als Parabel zu verstehen: In der Familiengeschichte spiegele sich nicht metonymisch, sondern symbolisch, d. h. als Metapher, Gesellschaftsgeschichte. Aber was soll dann die Botschaft dieser Parabel sein? Worin besteht die Gleichung der Metapher: Was in der dargestellten Geschichte symbolisiert was in der postsowjetischen russischen Geschichte? Wird durch drei Generationen ein Prozess der Degeneration gezeigt, dann fragt es sich, ob es vorher, d. h. in sowjetrussischer Zeit, also in der Jugend der jetzt Alten, besser gewesen sein soll und inwiefern? Weil noch nicht das Geld, der Kapitalismus, alles regierte? Aber, außer dem Kommunismus, regierte das Patriarchat, und auch der Alkohol, und auch die Gewalt! Als Parabel zeigt der Film nichts über die gesellschaftlichen Ursachen der dargestellten extremen Entfremdungen. Die Gleichung Familie = Gesellschaft ist als Metapher zu ungenau.
Für eine Parabel ist die Botschaft des Films also zu diffus oder zweideutig, für eine Reportage ist die Darstellung zu stilisiert und monoton. Das ist die Schwäche des gut gemeinten und sonst auch durchaus guten Films.
Was ist an dieser filmkritischen Argumentation falsch oder unplausibel?