Snow White and the Huntsman

Eine Filmkritik von Lida Bach

Blutiger Schnee

Es war einmal… Halt, stimmt gar nicht: Es war zweimal. Das erste Mal war es Tarsem Singh mit Spieglein, Spieglein, nun ist es Rupert Sanders mit Snow White and the Huntsman. Obwohl das actiongeladene filmische Märchen basierend auf einem volkstümlichen, das die Gebrüder Grimm niederschrieben, nur wenige Wochen auf die vorige Interpretation folgt, ist das zweite Mal auch ein erstes Mal. Jedenfalls für den britischen Regisseur, der mit dem Fantasy-Grusel sein Spielfilmdebüt gibt.
Dessen Ästhetik erinnert an die kalkulierte Makellosigkeit der Werbespots, die die bisher einzige Referenz Sanders sind. Vorläufig werden sie das wohl auch bleiben – gemessen am dramaturgischen Niveau der zwischen Schwarzromantik und Actionabenteuer mäandernden Variation von Schneewittchen und die sieben Zwerge. Eigentlich sind letztere ja acht, aber ein wie gerufen kommender Todesfall korrigiert das. Nicht, dass es Drehbuchautor Evan Daugherty an mathematischer Kenntnis mangelte; eher an Kenntnis der Vorlage an sich. In dessen Actionadaption war es keine Königin und kein König, sondern „es war einmal im Winter“. Blütenweißer Schnee, pechschwarze Federn und metallisches Lamee spielen in dem ausufernden Plot bedeutendere Rollen als die Protagonisten.

Bei kleinwüchsigen Schauspielern fiel das schon leichter, weshalb Beith (Ian McShane), Muir (Bob Hoskins), Duir (Eddie Marsan), Coll (Toby Jones), Gus (Brian Gleeson), Quert (Johnny Harris), Nion (Nick Frost) und Gort (Ray Winstone) von normal großen Darstellern gespielt werden. Dass CGI-Effekte dem Schrumpfen von Handlungselementen dienen, ist hingegen die Ausnahme. Jedes einzelne der Kostüme und Szenenbilder ließe sich mit einem Firnis aus Computeranimation verbessern, so scheint das inszenatorische Credo. Die ihre Bosheit durch Keifen ausdrückende Königin Ravenna (Charlize Theron), die nach der Ermordung ihres Vaters im Turm eingekerkerte Snow White (Kristen Stewart) und der ungehobelte Jäger (Chris Hemsworth), mit dem sich die Flüchtende verbündet, werden von keinem Requisit aus dem Arsenal des Grufti-Kitsch verschont. Rote Rosen, tosende Meereswogen und der in der Brandung auf eine kühne Reiterin wartende Schimmel sind nur ein Vorgeschmack auf unheimliches Unterholz im finsteren Wald und von Tau glänzende Lichtungen. Dort blinzeln Pilze putzigen Elfen zu, die aus dem Gefieder flauschiger Elstern schlüpfen, während Rotkehlchen paarweise auf niedlichen Dachsen reiten.

Ein Hauch Selbstironie zaubert indes auch kein Feenstaub nicht in derartige Exzesse. In ihrer schwülstigen Posierlichkeit sind Bilder wie diese der optische Gegenpol zu den düster-romantischen Gruselkulissen im Stil von Twilight. Die Fans der Kinoserie scheinen die Hauptzielgruppe des Möchtegern-Horrors, dessen gefühlskalte Makellosigkeit Ravennas Schönheit evoziert. „Ich spüre, dass uns etwas verbindet“, sagt Snow Whites Widersacherin, die ihre jugendliche Anziehungskraft aus dem Lebensodem ihrer Gefangenen zieht. Deren vorzeitig gealterte Körper werden als nutzlose Hüllen weggeworfen; eine Schicksal, das indirekt auch der Vorlage der Brüder Grimm widerfährt. Deren Horrorpotential verfehlt Snow White and the Huntsman ebenso deutlich wie „Spieglein, Spieglein“ das satirische. Ein Déja-vu droht jedoch nicht – zumindest, was Spieglein, Spieglein angeht.

Dass Sanders den unheimlichen Wald voller greifender Äste und Getier von Walt Disneys Snow White and the Seven Dwarfs übernimmt, mag noch als Hommage durchgehen. Aber die zum lustigen Filmraten einladende Folge aus Jeanne D´Arc, Prinzessin Mononoke, Robin Hood und Die Nebel von Avalon kopierter Szenen? Und dass Sanders dreist so tut, als wären die Einfälle alle seine? Das ist nicht einmal die antiquierte Moral, welche die zwischen Jäger und Prinz Charming alias William (Sam Claflin) keusche Heldin als auferstandene Heilbringerin gegen die von Ravenna verkörperte Usurpation maskuliner Herrschafts- und Sexualrollen positioniert. Die Hohlheit dieser alles Märchenhaften entbehrenden Selbstbespiegelung in Werbespot-Atmosphäre benennt die Titelfigur: „Es bedarf mehr als eines Namens.“ Eben.

Snow White and the Huntsman

Es war einmal… Halt, stimmt gar nicht: Es war zweimal. Das erste Mal war es Tarsem Singh mit „Spieglein, Spieglein“, nun ist es Rupert Sanders mit „Snow White and the Huntsman“. Obwohl das actiongeladene filmische Märchen basierend auf einem volkstümlichen, das die Gebrüder Grimm niederschrieben, nur wenige Wochen auf die vorige Interpretation folgt, ist das zweite Mal auch ein erstes Mal.
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