Berlin für Helden

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Hibbelige Hipster im Abenteuerland der Liebe

Klaus Lemke ist wieder da. Der nach eigener Auskunft letzte (und vielleicht einzige) Rocker des deutschen Films, der sich in den letzten Jahren mehr mit Ausfällen gegen die deutsche Förderlandschaft und die Zaghaftigkeit des einheimischen Kinos hervorgetan hat, hat die Gunst der Stunde während der Berlinale im Februar genutzt. Zwar fand sein neuer Film Berlin für Helden keine Gnade seitens des Auswahlkommittees der Panorama-Sektion, doch die daraus resultierende Protestaktion am roten Teppich mit blank gezogenem Hinterm sorgte zumindest für eine erhöhte Medienpräsenz, die nun dem Kinostart des Films zugute kommen soll. Ob die Brachial-PR nun tatsächlich aufgeht und auch jenseits der Stadtgrenzen Berlins für einigen Widerhall und Besucherzustrom sorgen wird, ist freilich noch arg ungewiss.
Statt München ist es nun also Berlin, wohin Lemke, wie sich der Regisseur selbst nennt (weil eine Marke wie er keinen Vornamen mehr benötigt), seinen Film verlegt hat. Anders als ein anderer Münchner Regisseur, der vor kurzem seinen neuen Film in Berlin statt in der bayrischen Landeshauptstadt ansiedelte und damit scheiterte (gemeint sind Helmut Dietl und seine Beinahe-Polit-Satire Zettl) geht es hierbei nicht um das schicke Berlin, sondern um das hippe und junge. Zwei Frauen (Saralisa Volm und Anna Anderegg) und drei Männer (Andreas Bichler, Marco Barotti und Henning Gronkowski) steigen hier in den Beziehungsclinch, suchen die große Liebe und versuchen, über zerbrochene Liebschaften hinwegzukommen, jagen dem großen Geld nach und Projekten, die aus dem Ruder zu laufen drohen, schlafen miteinander, prügeln sich, feiern in Clubs ab und hängen herum, bis aus den falschen Entscheidungen vielleicht mal richtige geworden sind. Oder bis es zumindest den Anschein hat.

Wirklich sympathisch ist einem keine der Figuren in Berlin für Helden. Ihre Egomanie, ihre mit Hipstertum vermischten Mackerposen, ihre zwanghafte Spätpubertät und die schwatzhafte Großmäuligkeit wirken auf Menschen jenseits 30 je nach Laune und Szene schrecklich aufgeblasen, ungeheuer enervierend oder schlichtweg platt und bemüht und erfüllen locker alle Vorbehalte, die man gegen das irgendwie kreative und selbstbesoffene Jungvolk haben kann. Vor allem die Herren der Schöpfung bestechen durch Augenkrebs verursachende Accessoires wie albernen Hüten und noch alberneren Sonnenbrillen, durch komische Haar- und Bartmoden und ein Verhalten, als habe die Emanzipation in gewissen Milieus niemals stattgefunden. Immerhin aber sind Anna Anderegg und Saralisa Volm überaus hübsch anzusehen und letztere präsentiert ihre BHs vermutlich häufiger als jedes Dessousmodell, was der hedonistischen Zielgruppe immerhin einige Schauwerte beschert, die es in sich haben.

Betrachtet man es nüchtern (okay, das fällt schwer), hat sich im Universum des Klaus Lemke seit vielen Jahren nicht wirklich etwas geändert – die Kerle sind nach wie vor halbseidene Großstadt-Cowboy-Loser, die Mädels hübsch und überwiegend willig und das ganze Geschehen ist kaum als Geschichte, sondern vielmehr als Mosaik verschiedener Mikrostories anzusehen, bei denen es in erster Linie um Geld und Sex (bzw. deren jeweilige Abwesenheit) geht und um weiter nichts. Das kann man toll finden, muss es aber nicht.

Unter den zahlreichen Berliner Low- bis No-Budget-Filmen der letzten Jahre ist Berlin für Helden mit Sicherheit einer der amüsantesten, weil Lemke und seiner Darstellerriege in ihrem zwischendrin durchaus dokumentarisch angehauchten Werk dem Zuschauer kaum eine Ruhepause gönnen. Zwar ist das wilde Treiben auf der Leinwand manchmal derart chaotisch, dass man hinsichtlich der Motivationen und Schlüssigkeit der Figuren gerne mal den Überblick verliert. Andererseits trifft genau diese Lässigkeit und charmante Schlampigkeit den Berliner Zeitgeist bzw. das Selbstverständnis junger Bohèmiens und Hipster vermutlich haargenau den Nagel auf den Kopf, wobei eine gewisse Affinität zu den genannten Subkulturen von einigem Vorteil ist. Ältere Semester wird das Ganze hingegen vermutlich nach kurzer Zeit ziemlich nerven. Aber für Menschen, die so alt sind wie er selbst, hat Klaus Lemke, der Berufsjugendliche des deutschen Films, ja noch nie Filme gemacht. Sondern eher für Menschen, die wie er im Herzen jung, wild und entsetzlich unvernünftig geblieben sind.

Berlin für Helden

Klaus Lemke ist wieder da. Der nach eigener Auskunft letzte (und vielleicht einzige) Rocker des deutschen Films, der sich in den letzten Jahren mehr mit Ausfällen gegen die deutsche Förderlandschaft und die Zaghaftigkeit des einheimischen Kinos hervorgetan hat, hat die Gunst der Stunde während der Berlinale im Februar genutzt. Zwar fand sein neuer Film „Berlin für Helden“ keine Gnade seitens des Auswahlkommittees der Panorama-Sektion, doch die daraus resultierende Protestaktion am roten Teppich mit blank gezogenem Hinterm sorgte zumindest für eine erhöhte Medienpräsenz, die nun dem Kinostart des Films zugute kommen soll.
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