Newo Ziro - Neue Zeit

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Djangos Erben

Sie tragen einen berühmten Namen und wie ihr Vorfahre Django Reinhardt, der wie ein guter Geist über allem schwebt, so haben auch sie den Rhythmus und die überbordende Musikalität im Blut. Weil für die Nachfahren des Erfinders des so genannten „Zigeuner-Jazz“ oder Gypsy-Swing“ die Musik immer noch das wichtigste Ausdrucksmittel über die Ländergrenzen und auch Kulturen ist, haben sie das Festival „Djangos Erben“ ins Leben gerufen, das jedes Jahr im Sommer auf einem Fußballplatz am Stadtrand von Koblenz stattfindet. Für drei Tage treffen sich dann Sinti-Musiker, ihre Familien aus Deutschland, Frankreich und aus anderen Ländern, um gemeinsam zu musizieren und zu feiern. Und genau dieses Festival, bei dem man den Zusammenhalt und die Gemeinschaft der Sinti und Roma am ehesten spüren kann, bildet auch den Ausgangspunkt für den Dokumentarfilm Newo Ziro – Neue Zeit von Robert Krieg und Monika Nolte.
Im Mittelpunkt stehen drei Generationen der Familie Reinhardt, anhand derer der Film davon Zeugnis ablegt, was es heutzutage bedeutet, Sinti zu sein. Bawo ist bereits 66 Jahre alt und so etwas wie das Familienoberhaupt jenes Zweiges der Reinhardts, die seit vielen Jahren in Koblenz leben. Er erinnert sich genau daran, wie das früher in den 1950er Jahren war, als die Sinti noch in der Feste Kaiser Franz, einem der damaligen Elendsquartiere der Stadt, lebten. Bereits während der NS-Zeit waren dort Sinti und Roma interniert gewesen. Später gegen Ende der 1950er Jahre erfolgte die Umsiedlung. Bawo ist so etwas wie das Herz und die Seele der Sinti in Koblenz, an der Grundschule in Koblenz-Asterstein unterrichtet er gemeinsam mit seiner Tochter Tschai Romanes, weil die Sprache sonst in Vergessenheit zu geraten droht.

Seine Enkelin Sibel ist 13 Jahre alt, sie spielt leidenschaftlich gerne Fußball und hat bereits einen schwarzen Gürtel in Kung Fu, doch das unbeschwerte Leben eines Kindes wird für sie wohl bald vorbei sein. Weil Tradition immer noch der Kitt ist, der die Familie in den modernen Zeiten zusammenhält, ist bald Schluss mit dem Fußball und dem Herumtoben, dann muss sich das Mädchen den ungeschriebenen Gesetzen ihres Volkes fügen, darf nur noch Röcke tragen und wird wohl mit dem Sport aufhören. Rebellion aber sucht man bei ihr vergebens.

Ihr Onkel Lulo (50) hingegen weiß, wie schwer es für einen Sinti ist, nur ein klein wenig von der Norm und den Erwartungen abzuweichen und seinen eigenen Weg zu gehen. Der Großneffe von Django Reinhardt und Sohn von Bawo hat es als einer der wenigen geschafft, von der Musik zu leben. Doch das war keineswegs so einfach, wie es aussieht, wenn er die Gitarre ergreift und einfach mal loslegt. Denn ohne seine Wurzeln zu verleugnen, hat Lulo den Gypsy-Swing verändert, geöffnet und weiterentwickelt, was die Alten bis heute misstrauisch beäugen. Daniel Weltlinger, der australische Jude, mit dem Lulo zusammenarbeitet, bringt es an einer Stelle des Filmes auf den Punkt: „Musik bedeutet Freiheit“. Und gerade bei einem Musiker wie Lulo ist dieses Gut ein vielschichtiges – zum einen ermöglicht sie ihm einen gesicherten Lebensunterhalt, zum anderen begreift er sie als Ausdrucksform, die variiert und erweitert werden kann.

Sascha Reinhardt (55), der das Festival ins Leben gerufen hat, ist hingegen skeptischer, was die Chancen der Jugend anbelangt: „Es lohnt sich für unsere Jugendlichen nicht, sich in der Schule anzustrengen — sie werden sowieso keinen Job bekommen. Auch wenn sie gut sind, bleiben sie ausgegrenzt. Dann sollen sie doch lieber unsere traditionellen Lebensweisen fortsetzen.“

Zu diesen Personen, auf die der Film im Wesentlichen fokussiert, kommen im Laufe der 83 Minuten Laufzeit noch viele andere hinzu. Sie alle repräsentieren unterschiedliche Sichtweisen auf die eigene Kultur und darauf, wie man seinen eigenen Weg zwischen Tradition und Moderne findet. Und dann ist da natürlich noch die Musik, an der man sich gar nicht satt hören kann und die dem manchmal etwas kaleidoskopartig zusammengesetzten Film so etwas wie eine Grundmelodie gibt, die die eigentlichen Fragen nach der Identität manchmal fast ein wenig in den Hintergrund treten lässt.

Dennoch, und darin liegt die große Stärke von Newo Ziro – Neue Zeit: So fernab von Klischees und dennoch traditionsbewusst (im Spannungsverhältnis mit den Herausforderungen der Moderne) hat man das reale Leben der Sinti und Roma in Deutschland noch nie auf der Leinwand gesehen. Und so beschwingt sowieso nicht.

Newo Ziro - Neue Zeit

Sie tragen einen berühmten Namen und wie ihr Vorfahre Django Reinhardt, der wie ein guter Geist über allem schwebt, so haben auch sie den Rhythmus und die überbordende Musikalität im Blut. Weil für die Nachfahren des Erfinders des so genannten „Zigeuner-Jazz“ oder Gypsy-Swing“ die Musik immer noch das wichtigste Ausdrucksmittel über die Ländergrenzen und auch Kulturen ist, haben sie das Festival „Djangos Erben“ ins Leben gerufen, das jedes Jahr im Sommer auf einem Fußballplatz am Stadtrand von Koblenz stattfindet.
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