Djeca - Kinder von Sarajevo

Eine Filmkritik von Gregor Torinus

Die unsichtbaren Narben des Krieges

Der Bosnienkrieg und die weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen, die mit dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens einhergingen, liegen nun bereits fast zwei Dekaden zurück. Man hat den Eindruck, dass der Balkan sich allmählich erholt hat und jüngere Ereignisse, wie der EU-Beitritt Kroatiens, lassen hoffen, dass die Region in naher Zukunft noch mehr prosperieren wird. Ein ganz anderes Bild zeichnet die Bosnierin Aida Begic in ihrem dritten Spielfilm Djeca – Kinder von Sarajevo von dem aktuellen Leben in ihrer Heimatstadt. In ihm verdeutlicht der Überlebenskampf zweier junger Kriegswaisen, dass die wahren Ausmaße und Folgen der damaligen Zerstörungen erst jetzt sichtbar werden.
Die 23-jährige Rahima (Marija Pikic) und ihr 10 Jahre jüngerer Bruder Nedim (Ismir Gagula) sind in einem Waisenhaus aufgewachsen, da sie ihre Eltern im Bosnienkrieg verloren haben. Jetzt leben sie zusammen am Existenzminimum in einer kleinen Wohnung. Rahima hat mittlerweile das Sorgerecht für Nedim, da sie eine feste Arbeit als Köchin in einem gutgehenden Restaurant hat. Die einstmalige Punk-Rockerin ist jetzt eine Muslimin, die immer ihr Kopftuch trägt und versucht Nedim vor dem Abrutschen auf die schiefe Bahn zu bewahren. Der kleine Bruder ist renitent und prügelt sich in der Schule mit dem Sohn eines lokalen Politikers. Als dabei das teure Handy des reichen Kindes kaputt geht, muss Rahima es irgendwie ersetzen, damit Nedim nicht von der Schule verwiesen wird. Aber es kommt noch schlimmer…

Djeca – Kinder von Sarajevo ist von einem fast dokumentarischen Realismus und ist zugleich von großer emotionaler Intensität. Die unruhige, nervöse Handkamera von Erol Zubcevic ist immer ganz nah an Rahima dran. So vermittelt sich ganz direkt viel von der großen Energie dieser fast zarten, stillen Frau mit Kopftuch. Rahima ist keine einfache graue Maus, sondern ist ganz einfach unheimlich fokussiert. Ihre ganze Kraft investiert sie in den Überlebenskampf für ihren Bruder und sich. Dafür macht sie in ihrem schlecht bezahlten Job jede Menge Überstunden, lässt sich das arrogante Verhalten ihres Macho-Chefs und die demütigende Behandlung durch die Frau vom Sozialamt gefallen.

Nur steckt in der harten Schale gar kein richtiger Mensch mehr drin. Irgendwo zwischen Kriegsterror, Verlust der Eltern und jahrelangem Kampf um die nackte Existenz hat Rahima sich selbst verloren. Da sie sich kein eigenes Leben zugesteht, geht sie z.B. auf die Avancen des fürsorglichen und sympathischen Nachbarn erst gar nicht ein. An Rahimas Beispiel zeigt sich, was die Regisseurin und Drehbuchautorin Aida Begic meint, wenn sie feststellt, dass die Menschen in ihrem Land das Träumen verlernt haben. Innerlich verhärtet ist auch Rahimas Bruder Nedim. Bei ihm schlagen die Verbitterung und die ständigen Demütigungen jedoch häufiger in offene Aggression um. Der Weg in die Kriminalität erscheint ihm als ein Weg sich gegen eine Welt zu wehren, die ihm niemals eine faire Chance gegeben hat. Beide Geschwister verbindet die Erinnerung an eine bessere Vergangenheit, die jedoch scheinbar keinen ernsthaften Gedanken an eine bessere Zukunft zulässt.

So zeigt Djeca – Kinder von Sarajevo am Beispiel dieses äußerst authentisch wirkenden Geschwisterpaars, dass die Narben des Bosnienkrieges noch lange nicht verheilt sind und dass die Spätfolgen dieses traumatischen Ereignisses erst jetzt in der Folgegeneration richtig zum Vorschein kommen. Der Frieden brachte dem Lande diesem Film zu Folge eine durch und durch korrupte Gesellschaft, in der scheinbar fast jeder entweder Mafiosi oder in der Politik ist. Diese zweifelhafte Machtelite geht fröhlich gemeinsam essen, während in der Küche die von dieser Gesellschaft Abgehängten für einen armseligen Lohn für sie schwitzen. Trotzdem wartet Djeca an seinem Ende mit einem leichten Hoffnungsschimmer auf. Nichts scheint ganz verloren, solange man einfach gemeinsam weitermacht.

Djeca - Kinder von Sarajevo

Der Bosnienkrieg und die weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen, die mit dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens einhergingen, liegen nun bereits fast zwei Dekaden zurück. Man hat den Eindruck, dass der Balkan sich allmählich erholt hat und jüngere Ereignisse, wie der EU-Beitritt Kroatiens, lassen hoffen, dass die Region in naher Zukunft noch mehr prosperieren wird.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen