Die Besucher (2012)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

"Alle Familien sind kaputt"

Elternbesuche, zumal dann, wenn sie unvermutet und spontan geschehen, gehören ja nicht unbedingt zu den angenehmen Überraschungen, die jungen Erwachsenen bisweilen widerfahren. Von den Fallstricken einer solchen cineastischen Familienaufstellung erzählen viele Filme, und zumindest gefühlt ist diese Aufarbeitung der eigenen privaten Vergangenheit vor allem ein deutsches Phänomen. Eine Nation, die sich quasi permanent auf der psychotherapeutischen Couch befindet – das ist Deutschland also, wenn man es durch die Brille vieler Filmemacher betrachtet. Und genau darum geht es auch in Constanze Knoches Spielfilmdebüt Die Besucher.
Eines Tages steht er vor der Tür. Frühmorgens, während seine Frau Hanna (Corinna Kirchhoff) noch schlief, ist Jakob (Uwe Kokisch) ins eine Stunde entfernte Berlin aufgebrochen um dort nach dem Rechten zu schauen und seinen drei Kindern Karla (Anjorka Stechel), Sonni (Anne Müller) und Arnolt (Jakob Diehl) einen Besuch abzustatten. Was diese (noch) nicht ahnen: Jakob hat soeben seinen Job verloren, die zur Gewohnheit gewordene Unterstützung seiner Kinder, von denen zwei noch studieren, wird bald schon der Vergangenheit angehören. Natürlich tut sich der Vater schwer mit diesem Geständnis, weil es für ihn auch eine schmerzliche Niederlage bedeutet. Mit der Sicherheit durch den Beruf, dem er alles geopfert hat, verliert er jeglichen Halt – auch deswegen, weil er ahnt, dass sein bisheriger Lebensstil voller Aufopferung für den Job Narben im Familienverbund hinterlassen hat.

Und so verfolgt sein Besuch vor allem einen Zweck: Er will mit eigenen Augen sehen, dass es den Kindern gutgeht. Allerdings tun die ihm trotz seiner Ignoranz den Gefallen nicht, auf eigenen Beinen zu stehen und ein glückliches Leben zu führen. Arnolt beispielsweise würde sein verhasstes Studium am liebsten an den Nagel hängen, um sich ganz der Malerei zu widmen. Sonni hingegen ist verstrickt in eine Liebesaffäre mit ihrem Professor und Karla, die als Gärtnerin arbeitet, will mit dem Rest der Familie am liebsten gar nichts mehr zu tun haben. Weil jeder der Beteiligten sich nach Kräften bemüht, nur nicht zu sehr hinter die Fassade der eigenen Befindlichkeiten schauen zu lassen, brechen die schlummernden Konflikte bald umso heftiger hervor. Als schließlich noch Hanna nach Berlin eilt, weil sie das Schlimmste ahnt, spitzt sich die Lage weiter zu. Denn ihre Anwesenheit offenbart ein Geheimnis, das fast schon keines mehr ist: Seit vielen Jahren schon führt Hanna eine heimliche Liebesbeziehung mit einem anderen Mann. Jakob, der als einziger nichts davon ahnte, ist fassungslos…

Im Prinzip erzählt Constanze Knoche in ihrem Spielfilmdebüt eine ähnliche Geschichte wie Hans Christian Schmidt vor kurzem in Was bleibt. Mit dem kleinen Unterschied, dass es dort der Sohn ist, der die Lebenswelt der Eltern aufsucht, und dem großen, dass es Die Besucher an keiner Stelle vermag, so sehr emotional zu fesseln und zu bewegen. Andererseits ist das bei einem Erstling vielleicht auch etwas zu viel verlangt. Der Unterschied liegt vor allem in dem Drehbuch und der Figurenzeichnung, aber auch in der Inszenierung der familiären Binnenbeziehungen. Die wirken in Constanze Knoches Film vor allem konstruiert, überwiegend klischeehaft und irgendwie aus der Zeit gefallen: Der ganz der Arbeit verpflichtete Vater und die vernachlässigte Mutter, die sich in die Arme eines anderen Mannes flüchtet, der Sohn, der dem Vater zuliebe ein Studium absolviert, das er eigentlich hasst, die Tochter, die die Affäre mit einem älteren Mann verheimlicht und das trotzige Nesthäkchen – sind dies wirklich lebensnahe und zeitgemäße Probleme oder nicht vielmehr Versatzstücke aus dem Baukasten der Tragödie namens Familie?

Zwar spielen die Darsteller tapfer gegen die Holzschnittartigkeit des Drehbuchs an, doch man merkt die Mühe, die überwiegend eindimensionalen Rollenzuschreibungen mit Leben und Liebe zu füllen. Und auch der Zuschauer merkt diese Distanz und übernimmt diese, so dass einem keine der Figuren (mit Ausnahme von Karla vielleicht, deren Probleme am wenigsten benannt werden) wirklich nahekommt. Weil dem Film zudem jeglicher Humor und jedwede Form der (Selbst)Ironie fehlt (Dietrich Brüggemanns 3 Zimmer/Küche/Bad führt exemplarisch vor, wie gut und eloquent auch in den Dialogen eine solche Betrachtungsweise funktionieren kann), ähnelt Die Besucher unfreiwillig der beschriebenen Begegnung zwischen Eltern und Kindern und ist vor allem ein zwar gut gemeintes, aber etwas zähes Unterfangen, das wenig Neues zu vermitteln weiß.

Die Besucher (2012)

Elternbesuche, zumal dann, wenn sie unvermutet und spontan geschehen, gehören ja nicht unbedingt zu den angenehmen Überraschungen, die jungen Erwachsenen bisweilen widerfahren. Von den Fallstricken einer solchen cineastischen Familienaufstellung erzählen viele Filme, und zumindest gefühlt ist diese Aufarbeitung der eigenen privaten Vergangenheit vor allem ein deutsches Phänomen.
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Meinungen

Wildmann · 18.09.2012

Schön gespielt, leider sehr negativ im Inhalt, die Protagonisten sind anscheinend nicht lernfähig, insofern eher eine Shortstory ohne Entwicklung.