Blind Spot

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Schweigendes, menschenleeres Lateinamerika

In der lateinamerikanischen Republik Santiago treibt ein Serienmörder sein Unwesen: Gerne passt er sich nachts einsam auf der Landstraße fahrende Autos mit alkoholisierten Insassen, und überschüttet nach getanem Mord die Leichen mit Benzin und zündet sie an. Wenn nun die beiden Kanadier Éric und Stéphanie (Sébastien Huberdeau und Karine Vanasse) ausgerechnet in dieses Land fahren, um Urlaub zu machen und ihre Beziehung wieder zu kitten, dann ahnt der erfahrene Kinogänger schon, mit welcher grausamen Persönlichkeit sie bald Bekanntschaft machen werden.
Angle mort (international als Blind Spot vermarktet) folgt hier den klassischen Motiven, die in solchen Mischungen aus Thriller und Backwoods-Horror immer wieder auftauchen. Die staubige Landstraße in der Fremde, menschenleere Siedlungen, in denen die Protagonisten mit dem Bösewicht konfrontiert werden – und natürlich das harmlose Paar, das miteinander schon genug Probleme hat und keinen Serienmörder bräuchte, um den Urlaub unter Spannung zu setzen. Stéphanie ist nämlich nicht nur schwanger und hat als freie Fotojournalistin eigentlich keine Zeit für ein Kind, sondern hat Éric auch noch nicht verziehen, dass er mit der Frau, mit der er gemeinsam eine Firma gegründet hat, eine Affäre hatte. Weil die Firma in Schwierigkeiten ist, muss Éric aber auch im Urlaub fortwährend mit ihr telefonieren…

Lateinamerika ist hier eine sehr dünn besiedelte Angelegenheit, was natürlich den Eindruck der Fremde verstärkt, den Regisseur Dominic James offensichtlich zu erzielen wünschte: Nicht nur sind Landschaft und Sprache dem Paar aus Quebec fremd (Stéphanie radebrecht ein wenig Spanisch und scheint auch das Land etwas zu kennen), sie begegnen auch nur sehr wenigen Menschen; selbst ihr Hotel scheint entvölkert zu sein. Darin gespiegelt wird die scheinbare Gleichgültigkeit, mit der die Menschen, sogar die Polizisten, den Morden begegnen – nur ein einzelner Polizist, der persönlich betroffen ist, macht sich noch ernsthaft auf die Jagd nach dem Täter.

Das Problem an dieser in rotbraunen Tönen gehaltenen Geschichte ist, dass es allzu sehr nach Versuchsanordnung schmeckt, nach einer sehr gewollten Kombination klassischer Elemente, die sich dann nicht zu einem Ganzen fügen will. Natürlich stolpern alle wichtigen Figuren einander am Ende über den Weg, natürlich gibt es viele Tote, und natürlich ist der schweigende Mörder ein schier übermenschlicher Unhold. Aber es ist halt auch immer schon sehr früh klar, wie und wo sich die Stränge berühren werden, da ist kaum Raum für echte Überraschungen.

Da hilft auch das dichte Spiel der Darsteller wenig, und die durchaus solide verdichtete Atmosphäre des Films unterstreicht leider eher seine stereotype Grundnatur: Denn das ist das feindliche, einsame Lateinamerika in Reinkultur aus geradezu kolonialistischer Perspektive. Da funktioniert nichts, die Polizeiarbeit zu allerletzt – und obgleich natürlich der unfähige Polizist auch wieder ein Standardelement solcher Filme ist: Hier bekommt es doch auch wieder ein herablassendes Geschmäckle.

Der Bösewicht ist dann schließlich doch nicht so dämonisch, wie gedacht, sondern vor allem schweigsam – dass Angle mort auch dadurch darauf verzichtet, seine Motive zu psychologisieren, muss man ihm allerdings hoch anrechnen. So bleibt ein Hauch von Ungewissheit und Abgründigkeit erhalten in einem Film, der sich sonst leider allzu sehr von Konventionen nährt.

Blind Spot

In der lateinamerikanischen Republik Santiago treibt ein Serienmörder sein Unwesen: Gerne passt er sich nachts einsam auf der Landstraße fahrende Autos mit alkoholisierten Insassen, und überschüttet nach getanem Mord die Leichen mit Benzin und zündet sie an. Wenn nun die beiden Kanadier Éric und Stéphanie (Sébastien Huberdeau und Karine Vanasse) ausgerechnet in dieses Land fahren, um Urlaub zu machen und ihre Beziehung wieder zu kitten, dann ahnt der erfahrene Kinogänger schon, mit welcher grausamen Persönlichkeit sie bald Bekanntschaft machen werden.
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