Why Stop Now

Eine Filmkritik von Falk Straub

Elis Irrfahrt

Talent als Motor des sozialen Aufstiegs und Ausweg aus privater Krise – Phil Dorling variiert in seinem Langfilmdebüt Why Stop Now ein altbewährtes Motiv. Die Tragikomödie mit Jesse Eisenberg, Melissa Leo und Tracy Morgan, die 2012 beim Sundance Film Festival lief, erscheint mit etwas Verzögerung auf DVD und Blu-ray.
Wenn Eli Bloom (Jesse Eisenberg) die ersten Töne der Fuge in c-Moll aus Johann Sebastian Bachs Das Wohltemperierte Klavier anschlägt, ist er ganz bei sich – egal ob sein Instrument auf der Bühne eines Auditoriums, im Wohnzimmer seiner Tante Trish (Stephanie March) oder inmitten einer Partymeute steht. In diesen kurzen Momenten denkt Eli absolut nichts. Mit und in der Musik kommt er völlig zur Ruhe, was ihm seine hektische Familie viel zu selten erlaubt. Denn Eli ordnet tagtäglich das Leben seiner neunjährigen Schwester Nicole (Emma Rayne Lyle) und den seiner drogenabhängigen Mutter Penny (Melissa Leo). Dabei möchte er nichts lieber, als vier Autostunden entfernt von all dem Trubel an einem Konservatorium studieren. Um das zu schaffen, muss er nur noch einen Tag überstehen, an dessen Beginn eine gewaltige Hürde steht: Eli bringt seine Mutter in eine Entzugsklinik.

Melissa Leo spielte diese Penny bereits in Phil Dorlings 15-minütigem Kurzfilm Predisposed, auf dem Why Stop Now basiert. Prädisponiert ist Dorlings Protagonist gleich in zweifacher Hinsicht. Eli ist nicht nur für klassische Musik empfänglich, sondern auch für die Sucht seiner Eltern. Seinen Vater, wie die Mutter ein Junkie, bekam er nur selten zu Gesicht. Ohne es sich einzugestehen, trinkt er zu viel. Statt mit seinem heimlichen Schwarm Chloe (Sarah Ramos) kluge Gespräche zu führen, blamiert er sich vor ihr mit trunkenem Gestammel.

Dieser Eli ist gleichermaßen Suchender wie Getriebener – und Jesse Eisenberg gibt ihn mit seiner unnachahmlichen fahrigen Nervosität. Wenn ein Charakter mit diesem Nachnamen innerhalb von 24 Stunden eine Irrfahrt durchmacht, denkt der belesene Kinogänger zudem unweigerlich an James Joyce Ulysses. Jesse Eisenbergs Eli Bloom ist, wenn überhaupt, eine Mischung aus Joyce‘ Protagonist Leopold Bloom und dessen geistigem Ziehsohn Stephen Dedalus. Denn während Eli für Mutter und Schwester den Mann im Haus gibt, sucht er für sein eigenes Leben bei Sprinkles (Tracy Morgan) väterlichen Rat. Dieser laute Typ mit dem lautmalerischen Spitznamen ist Pennys Dealer und bringt die irre Handlung erst richtig in Fahrt, als er Eli für ein Drogengeschäft spontan als Spanischübersetzer anheuert.

Für die Langversion seiner Geschichte hat sich Phil Dorling seinen Koautor und Produzenten Ron Nyswaner nun auch für die Regie an seine Seite geholt und profitiert dabei sichtlich von dessen Erfahrung. Denn angesichts der Ausgangslage hätte Why Stop Now auch eine überdrehte Gangsterkomödie im Stile eines Quentin Tarantino werden können. Nyswaner, der seit den 1980er Jahren im Film- und Fernsehgeschäft tätig ist, unter anderem das Drehbuch zum preisgekrönten Drama Philadelphia (1993) schrieb und Serien wie Ray Donovan und Homeland produziert, ist jedoch mehr an den Charakteren als an makaberen Wendungen interessiert. Das macht Why Stop Now bei aller Alltagshektik voll angespannter Dialoge zu einem ruhigen, unspektakulären Familienporträt.

Why Stop Now

Talent als Motor des sozialen Aufstiegs und Ausweg aus privater Krise – Phil Dorling variiert in seinem Langfilmdebüt „Why Stop Now“ ein altbewährtes Motiv. Die Tragikomödie mit Jesse Eisenberg, Melissa Leo und Tracy Morgan, die 2012 beim Sundance Film Festival lief, erscheint mit etwas Verzögerung auf DVD und Blu-ray.
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