Camp 14: Total Control Zone (2012)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Geboren in einem nordkoreanischen Arbeitslager

Wäre dieser Film doch nur Fiktion! Aber Shin Dong-Hyuk erzählt darin die wahre Geschichte seines Lebens in einem nordkoreanischen Arbeitslager. Dort wurde er Anfang der 1980er Jahre geboren, als Sohn einer Gefangenen, die einem Mithäftling als Belohnung für gute Arbeit zugeteilt worden war. Wenn Shin, der jetzt im südkoreanischen Seoul wohnt, darüber berichtet, wie im Lager sogar Kinder wegen geringster Vergehen umgebracht wurden, wie er mit 14 Jahren im Gefängnis gefoltert wurde und anschließend der Hinrichtung seiner Mutter beiwohnen musste, wirkt er äußerlich beinahe unbeteiligt. Aber dann geraten die Sätze wieder ins Stocken und er bittet um Aufschub oder eine Pause: „Das ist sehr anstrengend für mich.“

Shin gelang 2005 die Flucht aus Camp 14, einem Lager der höchsten Sicherheitsstufe, in welchem 40.000 Gefangene leben. Menschen, die dort landen, haben keine Aussicht auf Entlassung. Shin wusste bis kurz vor seiner Flucht nichts über die Welt außerhalb des Stacheldrahtzauns. Als er zum ersten Mal Menschen erblickte, die draußen unbewacht herumgingen, wähnte er sich im Paradies. Dabei war er immer noch in der stalinistischen Diktatur Nordkorea, in der das Leben in Freiheit nach den Worten eines ehemaligen Lagerwärters schon dann vorbei sein kann, wenn man nur den Namen des Staatschefs ausspricht. Oder einen Angehörigen hat, der in Ungnade gefallen ist.

Shin flüchtete über China nach Südkorea und fuhr in den vergangenen Jahren im Auftrag einer Menschenrechtsorganisation bereits zu Vortragsreisen um die halbe Welt. Als der Dokumentarfilmer Marc Wiese ihn 2009 kennen lernte, fand er nach eigenen Angaben einen immer noch schwer traumatisierten Menschen vor, der sich vergeblich mühte, in der Freiheit Fuß zu fassen. Aber Shin war trotz seiner Albträume bereit, für den Film noch einmal in seine dunkelsten Erinnerungen hinabzusteigen. Tatsächlich brauchen die 200.000 Menschen, die in den nordkoreanischen Arbeitslagern ihr Dasein fristen, die Stimme eines Augenzeugen: Ohne die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wären sie weiterhin wie lebendig begraben.

Wiese, der bislang für das Fernsehen Dokumentationen gedreht hat, findet eine kreative und gleichzeitig wirkungsvolle Methode, um Shins Erzählungen zu bebildern. Die Kamera ist nicht nur auf den jungen Mann gerichtet, der während des Drehs oft auf der Treppe seiner Wohnung kauert. Shins von August Diehl gesprochene Worte werden vielmehr immer wieder über Animationen gelegt, die in Grautönen mit spärlichen Farbzusätzen das Geschehen in Camp 14 nachzeichnen: zum Beispiel den Tag, als Shin seine Mutter und seinen Bruder vorschriftsmäßig verriet. Der Regisseur lässt auch zwei Täter zu Wort kommen, einen geflohenen Lagerwärter und ein früheres Mitglied der Geheimpolizei. Sie bestätigen Shins Schilderungen, indem sie freimütig zugeben, selbst gefoltert und gemordet zu haben. „Das Leben eines Menschen galt nicht mehr als das einer Fliege“, sagt einer von ihnen.

In der nordkoreanischen Version der Arbeitslager gibt es eine auffällige, offenbar durch jahrzehntelange gesellschaftliche Indoktrination bewirkte, innere Zustimmung zu den Regeln, sowohl bei den Gefangenen wie auch bei den Wärtern. Man hört von konsequenter, emotionsloser Folter, sieht Shins durch Gewalt deformierte Arme. Hört ihn sagen, dass er dachte, die Hingerichteten hätten ihren Tod verdient. Am Ende des Films wird er bekennen, dass er sich nach seiner früheren Naivität, dem Gefühl der Unschuld zurücksehnt.

Dieser erschütternde Film ist sicherlich eine Gratwanderung zwischen notwendiger Information und der Gefahr, einen gepeinigten Menschen auszubeuten. Man kann nur hoffen, dass Shin seine inneren Grenzen dafür nicht erneut ignorieren musste. Solange es Orte wie Camp 14 gibt, muss jeden, der davon weiß, der Zustand der Welt bedrücken.
 

Camp 14: Total Control Zone (2012)

Wäre dieser Film doch nur Fiktion! Aber Shin Dong-Hyuk erzählt darin die wahre Geschichte seines Lebens in einem nordkoreanischen Arbeitslager. Dort wurde er Anfang der 1980er Jahre geboren, als Sohn einer Gefangenen, die einem Mithäftling als Belohnung für gute Arbeit zugeteilt worden war.

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