Der Mann aus dem Westen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Montag, 27. August 2012, ARTE, 20:15 Uhr

Als seinerzeit eines der populärsten Gesichter Hollywoods repräsentierte dieser Mann in zahlreichen Filmen den wortkargen, geradlinigen und nicht selten einsamen Western-Helden, den das Schicksal auf eine schwierige Bewährungsprobe stellt: Der US-amerikanische Schauspieler Gary Cooper (1901-1961) wirkte insgesamt in rund 115 Filmen mit und wurde mit einem Oscar für sein Lebenswerk geehrt. Der Mann aus dem Westen nach dem Debüt-Roman The Border Jumpers von Will C. Brown unter der Regie von Anthony Mann zählt zu seinen späten Filmen und zeigt Gary Cooper in einer seiner typischen Rollen, die das Western-Genre um eine kräftige Komponente sensibler Besonnenheit gepaart mit entschlossener, durchschlagender Aktion bereichert haben, wie Fred Zinnemanns Zwölf Uhr mittags / High Noon wohl am signifikantesten gezeigt hat.
Im Auftrag der Bürger des Städtchens Good Hope reist der augenscheinlich brave Familienvater Link Jones (Gary Cooper) mit dem Zug und einer ansehnlichen Summe nach Fort Worth, um dort eine Lehrerin für den Nachwuchs im Ort zu engagieren. Doch während Heiz-Nachschub für die Lokomotive geladen wird, räubert eine Bande schlecht organisierter Banditen im Zug. Gemeinsam mit der aparten Saloon-Sängerin Billie Ellis (Julie London) und dem geschwätzigen Spieler Sam Beasley (Arthur O’Connell) bleibt Jones auf der Strecke zurück, seines Geldes beraubt, während der Zug seine Fahrt rasch wieder aufnimmt und die Banditen flüchten. In der kaum bewohnten Gegend offensichtlich ortskundig bringt Jones seine ratlosen Mitreisenden zu einer Hütte, und dort begegnet er nicht nur den Zugräubern, sondern in Gestalt ihres alternden Anführers Dock Tobin (Lee J. Cobb) auch seiner zwielichtigen Vergangenheit: Dieser Mann nahm ihn einst unter seine kriminellen Fittiche, denn in seinem früheren Leben war auch Jones ein verwegener Gesetzesbrecher, der nun in seiner Not vorgibt, zur Bande zurückgekehrt zu sein, um die Zeiten des glorreichen Verbrechens wieder aufleben zu lassen. Um sie vor den groben Ganoven zu schützen, stellt er die schöne Sängerin als seine Frau vor und setzt mit alarmierter Vorsicht alles daran, lebend aus dieser Klemme zu entkommen, die seinen Hass auf die Brutalität der Bande erneut erwachen lässt …

Der Mann aus dem Westen bezieht seine spannende, schwelende Dynamik vorrangig aus den Interaktionen der Protagonisten untereinander, deren sorgfältige Charakterzeichnung das psychologische Spiel mit ihren Motivationen und Reaktionen auf intensive Weise vorantreibt, ohne sich allzu leicht auf glatte Gemeinplätze zu beschränken, was reichlich Raum für Spekulationen beim Zuschauer lässt. Auch wenn sich das aktionsreiche Geschehen final noch einmal aufbäumt, liegt in dieser dramaturgischen Dimension nicht der Fokus dieses stark psychologisierenden Westerns mit seinen dahingehend ausgerichteten ausdrucksvollen Bildern. Vielmehr konzentriert sich Regisseur Anthony Mann in diesem außergewöhnlichen Western mit tragischen Qualitäten zuvorderst auf die explosive Zwischenmenschlichkeit im Spannungsfeld von Loyalität und Überlebenskampf, der für den gestandenen Helden Link Jones weit mehr bedeutet als das Fortdauern seiner physischen Existenz, denn sein neues Leben in Good Hope beherbergt all die Werte, die ihm in jungen Jahren verwehrt blieben, auch wenn die schöne Billie sicherlich keine geringe Versuchung darstellt, noch einmal neu zu beginnen.

Der Mann aus dem Westen

Als seinerzeit eines der populärsten Gesichter Hollywoods repräsentierte dieser Mann in zahlreichen Filmen den wortkargen, geradlinigen und nicht selten einsamen Western-Helden, den das Schicksal auf eine schwierige Bewährungsprobe stellt: Der US-amerikanische Schauspieler Gary Cooper (1901-1961) wirkte insgesamt in rund 115 Filmen mit und wurde mit einem Oscar für sein Lebenswerk geehrt.
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Meinungen

Martin Zopick · 07.07.2022

Klassischer völlig unspektakulärer Western aus den 50er Jahren, in dem Link (Gary Cooper) auf die Bande trifft, mit der er früher einmal manchen Überfall gemacht hatte. Jetzt ist er aber ein gesetzestreuer Bürger, der für sein Dorf eine Lehrerin suchen soll. Der Zug wird überfallen und Link findet mit zwei Mitreisenden Sängerin Billy (Julie London) und Sam (Arthur O’Connell) eine abgelegene Ranch, wo auch seine ehemaligen Kumpels Unterschlupf gefunden haben. Coaley, einer die Bande zwingt Billy mit einem Messer an Links Kehle sich auszuziehen. Der hatte sie als seine Frau ausgegeben und es gelingt ihm ein Abbruch, denn der Bandenboss Doc Tobin (Lee J. Cobb) vertraut Link immer noch und glaubt, alles sei so wie früher. Link verbringt eine keusche Nacht im Heu mit Billy und gegenseitiger Lebensbeichte. Dabei erfahren wir, dass er Frau und Kinder hat.
Neben Kräftemessen zum Zeitvertreib und um die Hackordnung herzustellen, prügelt sich Coaley (Jack Lord) mit Link und als der die Oberhand gewinnt, macht er einen Gegenstriptease mit ihm, indem er ihm die Kleider vom Leib reißt.
Bei steigender Spannung kommt es erst beim Finale zur Ballerei. Link gibt sich kooperativ und macht das Vorauskommando bei einem Banküberfall. Überraschenderweise ist der kleine Ort menschenleer.
Erwartungsgemäß erledigt Link alle Banditen und holt sein Geld zurück. Dann fährt er ohne eine Lehrerin gefunden zu haben nach Hause und Billy singt weiter im Saloon – nicht ohne festzustellen, dass sie den nettesten Mann in ihrem Leben getroffen hat. Der Seltenheitswert besteht in dem Ende ohne Kuss und Vereinigung, wie sonst üblich und im subtil unterlegten Sinn, denn der Mann aus dem ‘Wilden Westen’ kam doch eigentlich um Kultur aus dem zivilisierten Osten zu holen.