Il Futuro - Eine Lumpengeschichte in Rom

Neo-Giallo mit ordentlich Trash

Ein gelbes Auto fährt eine Küstenstraße entlang. Schwülstige Musik spielt dazu, die Kamera beobachtet das Auto aus der Vogelperspektive. Die Sonne brennt heiß. Das könnte für einen Augenblick der Anfang eines neuen James Bond Films sein, doch dann, ach dann wird alles ganz anders. In großen, goldenen Lettern knallen dem Zuschauer die „opening credits“ entgegen. Und dann das: „Rutger Hauer als Maciste“. Ohje, denkt man da sofort, in was für einem Film sitze ich hier bloß? Die Antwort ist einfach: in einem der eigenartigsten Trashfilme des Jahres, der eine Menge Spaß verspricht; vorausgesetzt, man ist betrunken, bekifft oder leidet unter massivem Schlafenzug.
Doch halt, der Film ist keinesfalls ein schlechter, The Future ist vielmehr einfach nur konsequent. Worin? Im Wiederbeleben eines tot geglaubten und gerade wiederentdeckten (Sub)Genres: dem Giallo-Film. Nach Amer, Berberian Sound Studio und Masks sowie diversen Wiederbelebungsversuchen durch Kurzfilme in den letzten Jahren, erlebt dieses italienische Thriller/Krimi/Erotik/Trash-Genre eine Renaissance und bei Gott, The Future geht mutig und stolz den ganzen Weg. Basierend auf Roberto Bolaños Novelle erzählt die Regisseurin Alicia Scherson die Geschichte der Geschwister Bianca (Manuela Martelli) und Tomas (Luigi Ciardo), die ihre Eltern bei einem Autounfall verlieren. Mit der Waisenrente kommen sie im von der Finanzkrise erschütterten Italien nicht weit, weshalb Bianca einen anderen Weg sucht — sie wird die Geliebte für den blinden, ehemaligen Star „Maciste“ (Rutger Hauer). Freilich geschieht dies nicht ohne Hintergedanken; schließlich wird gemunkelt er habe das Geld aus seinen ruhmvollen Jahren im Haus versteckt. So richtig viel mehr passiert hier auch nicht, aber das ist egal, denn Rutger Hauer murmelt sich hier grandios durch den Film, stets mit einem gelangweilten Gesicht (oder ist das seine Interpretation von blind?), während er das Mädchen in der Gegend herumwirft wie einen Zwerg. Aber das macht er nur, wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, ihren nackten Körper einzuölen und dann mit ihr zu schlafen, wobei hier ist Drogenkonsum hilfreich). Aber das macht alles ganz viel Sinn, er war ja schließlich in den 1960er Jahren der italienische Herkules. Oder so ähnlich.

Wie schon bemerkbar ist, die eigentliche Erzählung macht gar nicht so viel Sinn, da bringt es auch nichts, dass das ölige Mädchen einen permanenten Voice-Over über die Bilder haucht. Von Qualitätskino muss man sich hier verabschieden, aber das ist auch der Sinn des Ganzen. Die Regisseurin Alicia Scherson weiß, wie man Filme macht, es handelt sich hier nicht um einen Ausrutscher, sondern um ein sehr nahes Verhandeln eines Genres, das von der Schaulust und dem Spaß am Trashigen gelebt hat und dieses mit Blut, Crime und Suspense verknüpft. Auch in The Future gibt es einige spannende Augenblicke, lange halten die Charaktere ihre Geheimnisse zurück. Auf einer Metaebene wird der Filme immer wieder und mehr als offensichtlich rückbezüglich und versichert sich seiner Wurzeln: Bianca ist alsbald besessen von den alten Maciste-Filmen (Maciste, der stärkste Mann der Welt, Maciste und die Vampire) der 1960er und 1970er Jahre, es gibt eindeutige Referenzen auf alte Giallo-Filme. Auch der Altstar selbst erzählt oftmals nostalgisch berührt davon, wie es damals so war. Und wer es noch immer nicht begriffen hat, der bekommt gleich am Anfang eine Szene präsentiert, in der Bianca den gelben Unfallwagen aus der Eingangssequenz sucht, man ihr aber immer einen grauen präsentiert und sie ruft: „Aber der Wagen war gelb! Gelb! Gelb!“ (gelb = „giallo“ auf italienisch).

Es empfiehlt sich also, diesen Film mit Humor zu nehmen. Denn – es könnte schlimmer kommen, jetzt stelle sich einer vor, jemand käme auf die Idee, ein ganz anderes Subgenre wiederzubeleben, beispielsweise jenes der Supernasen-Komödien mit Thomas Gottschalk und Mike Krüger aus den frühen Achtzigern. Wobei: Mann muss ja nicht immer gleich an das Allerschlimmste denken.

(Festivalkritik vom 42. Internationalen Filmfestival Rotterdam, Beatrice Behn)

Il Futuro - Eine Lumpengeschichte in Rom

Ein gelbes Auto fährt eine Küstenstraße entlang. Schwülstige Musik spielt dazu, die Kamera beobachtet das Auto aus der Vogelperspektive. Die Sonne brennt heiß. Das könnte für einen Augenblick der Anfang eines neuen James Bond Films sein, doch dann, ach dann wird alles ganz anders. In großen, goldenen Lettern knallen dem Zuschauer die „opening credits“ entgegen. Und dann das: „Rutger Hauer als Maciste“.
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