Mutter und Sohn

Eine Filmkritik von Festivalkritik Berlinale 2013 von Joachim Kurz

Von Mutterglucken und Muttersöhnchen

Was passiert ist an jenem Abend, in jener Nacht, das erfahren wir wie Barbus Mutter Cornelia (Luminita Gheorghiu) nur über das Telefon: der 34-jährige Sohn aus gutem Hause (Bogdan Dumitrache) war in einen Unfall verwickelt, zwar blieb er dabei selbst unverletzt, doch ein Junge von 14 Jahren ist bei einem riskanten Überholmanöver ums Leben gekommen. Als Cornelia diese Nachricht erhält, macht sie sich sofort auf den weg, um ihren Sohn vor Unheil zu bewahren.
Begleitet von ihrer Schwester Olga (Natasa Raab) fährt sie zu der zuständigen Polizeistation und nimmt die Sache in die Hand — so wie sie es gewohnt ist, resolut, mit dem bestimmten Auftreten einer Frau, die im postkommunistischen Rumänien ihren Platz gefunden hat, die zur Oberschicht gehört und weiß, wie man dem Recht (vor allem dem eigenen) in diesem Land auf die Sprünge helfen kann. Sie droht, gibt sich unterwürfig, verweigert, macht Zugeständnisse, deutet kleine finanzielle Gefälligkeiten an und stellt kein einziges Mal die Frage, ob ihr Sohn nicht vielleicht doch grob fahrlässig gehandelt hat. Das alles interessiert sie nicht, sondern allein, dass ihr Barbu nicht leiden muss.

In diesem Fall aber lassen sich die Dinge nicht so einfach regeln — und das liegt nicht am schwindenden Einfluss Cornelias, sondern an Barbu selbst, der sich mit seiner überbehütenden Mutter an seiner Seite nicht mehr länger wohlfühlt. Weil sie nicht nur diese Angelegenheit für ihn regelt und weil er endlich sein eigenes Leben führen will — im Guten wie im Schlechten. Und so bewegen sich Mutter und Sohn beim Kampf um einen glücklichen Ausgang der delikaten Situation zunehmend auf Kollisionskurs, bis Cornelia und Barbu endlich den Schritt wagen, der längst überfällig ist — sie machen sich auf den Weg zu den Eltern des getöteten Jungen.

Călin Peter Netzer ist spätestens seit Medal of Honor (2009) im internationalen Festivalzirkus kein Unbekannter — der Film wurde von mehr als 30 Festivals weltweit eingeladen und gewann etliche Auszeichnungen. Mit Child’s Pose könnte sich diese Aufmerksamkeit nun eigentlich fortsetzen. Das Drama, das neben der Anatomie einer fast schon pathologischen Mutter-Sohn-Beziehung auch einen hellsichtigen Blick auf den Zustand des Rumäniens, auf dessen Justizsystem, auf die Macht der Reichen und die Ohnmacht der Armen richtet, überzeugt durch eine hellwache, hyperaktive Handkamera, die Dialogen meistens in Reißschwenks folgt, statt gegen zu schneiden. Am meisten aber überzeugen die Figuren, die allesamt nur bedingt sympathisch, aber umso lebensnaher gestaltet sind.

Dass Netzer es weitgehend unterlässt, seiner Sozialparabel allzu klassenkämpferische Züge zu geben und sich stattdessen überwiegend auf Innenansichten der rumänischen Bourgeoisie beschränkt, ist nur auf den ersten Blick eine Schwäche, die man dem Film aber schnell nachsieht, weil der innerfamiliäre Kampf um Gerechtigkeit und Moral, um Schutz und Emanzipation viel mehr Raum lässt für Interpretationsansätze, die über das rein Private hinausreichen, ohne dies mit dem Holzhammer zu forcieren.

(Festivalkritik Berlinale 2013 von Joachim Kurz)

Mutter und Sohn

Was passiert ist an jenem Abend, in jener Nacht, das erfahren wir wie Barbus Mutter Cornelia (Luminita Gheorghiu) nur über das Telefon: der 34-jährige Sohn aus gutem Hause (Bogdan Dumitrache) war in einen Unfall verwickelt, zwar blieb er dabei selbst unverletzt, doch ein Junge von 14 Jahren ist bei einem riskanten Überholmanöver ums Leben gekommen. Als Cornelia diese Nachricht erhält, macht sie sich sofort auf den weg, um ihren Sohn vor Unheil zu bewahren.
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Meinungen

Vincenzo · 01.06.2013

"hyperaktive Handkamera"? Danke für den Tipp!! Mir wird grundsätzlich schwindelig, wenn ich solche Filme sehe. "Halbe Treppe", "Melancholia" ... mehr als die ersten 20 - 30 min waren leider nicht drin, sonst hätte ich bestimmt noch k...... müssen. ;-)

Harald · 22.05.2013

Gerade in einer Sneak Preview gesehen und bitter enttäuscht.

Das soll ein Drama sein? Während etwa "Broken Circle" echt nahe geht, ist dieser Film nur lächerlich.

Gut 20 Leute gingen nach und nach raus, und ein Teil des verbliebenen Publikums machte sich über diesen Krampf nur noch lustig - der einzige Weg, die Langeweile und den Ärger über die schauspielerische Zumutung (teilweise auf Komödienstadel-Niveau) zu ertragen.