Im Namen des... (2013)

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Das Kreuz mit dem Glauben

Vater Adam (Andrzej Chyra) joggt durch den Wald. Später sehen wir ihn auch einen einsamen Waldweg entlanggehen. Denn laufen sei wie beten, sagt der Priester, der im Alter von 21 Jahren seine Berufung zum Geistlichen entdeckte, als ihm sein toter Vater erschien. In der polnischen Provinz schlägt er sich mit heranwachsenden Jungs herum. Aber wenn er joggt, dann ist er ganz bei sich. Hat man im Kino jemals einen Mann so laufen sehen? Es fällt einem lediglich Michael Fassbender ein, der in Steve McQueens Shame vor seinen sexuellen Trieben und emotionalen Unzulänglichkeiten weglief und dabei Bach hörte.

Den Film bei Vimeo schauen:

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von Vimeo präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Was Adam hört, wissen wir in Malgorzata Szumowskas Film In the Name Of / W imie nicht, aber wir erfahren langsam, dass dieser Mann ständig gegen seine inneren Dämonen zu kämpfen hat. Adam ist schwul und Priester. Im katholischen Polen eine fast undenkbare Konstellation, aber alles andere als realitätsfern. Szumowska beobachtete Adam, wie er regelmäßig in Versuchung geführt wird, wie er im Korsett seiner Berufung langsam zu ersticken droht und sich als Mensch immer wieder verrät und doch wieder aufzurappeln versucht.

Wie schon in 33 Szenen aus dem Leben oder Ono erzählt Szumowska elliptisch und bleibt sehr nah an ihren Figuren. Sie fängt mit einem äußerst genauen Blick die Verhaltensweisen der pubertierenden Jungs ein. Sie zeigt wie sie trinken, Joints drehen, fluchen und immer wieder mit Adam ihre Grenzen austesten. Doch der hat sie im Griff, ist mal pastoral, fürsorglich, dann wieder streng und zurechtweisend. Doch zwischen diesen einzelnen Momenten entwickelt der Film eine unfassbare Atmosphäre der Verzweiflung. Er streut das Begehren der einzelnen Figuren derart bedacht und intelligent ein, dass wir lange Zeit nicht wissen, wer hier tatsächlich in den Mittelpunkt rückt. Ist es der geistig zurückgebliebene Junge, der eine sehr innige Beziehung zu Adam pflegt, weil er von den anderen nur langsam akzeptiert wird und sich immer wieder Mutproben stellen muss? Ist es der Jugendliche, der Adam beichtet, bei einer Party mit einem anderen Jungen Oralverkehr gehabt zu haben? Oder ist es vielleicht Ewa, die Frau aus der Stadt, die versucht Adam zu verführen, weil sie glaubt, dass dieser kluge und reflektierte Mann in einem solchen Loch nicht glücklich werden kann?

In the Name Of / W Imie lädt sich auf diese Weise immer wieder mit Spannungen und Konflikten auf, die den Plot tragen und eine nahezu ausweglose Situation aufzeigen. Wenn dann ein neuer Junge, Adrian, in die Gruppe kommt, beginnt alles zu eskalieren. Szumowska macht es sich nie leicht. Sie hat kein Pamphlet gegen die katholische Kirche gedreht. Keine feuriges Plädoyer für homosexuelle Priester. Dafür ist diese talentierte Regisseurin zu klug. Ihr Film ist, wenn überhaupt, ein Werk, das sich voll und ganz dem Menschen und seiner emotionalen Verzweiflung widmet. Dass sie dabei nicht mit dem groben Pinsel vorgeht, sondern allen Figuren ihre Wunden und Fehler zulässt, zeichnet sie als ganz große Regisseurin aus. Formal bleibt sie ganz nah an ihren Figuren. Es findet sich kaum eine Totale. Das Dorf wird dadurch sehr universell gefasst und nicht konkret verortet. Sie legt Indie-Rock unter eine Prozession und scheut auch nicht davor zurück, einem Dorfbewohner einen Cowboyhut auf den Kopf zu setzten. Die Landschaft spiegelt sich stets subjektiv durch die Augen der Figuren. Schotterwege, Maisfelder, animalische Männlichkeitsrituale — das alles erweist sich als fast schon feurige amerikanische Seelenlandschaft. Da verschwinden fast schon die vielen Symbole aus der Passionsgeschichte, auf die es die Inszenierung abgesehen hat.

Andrzej Chyra spielt den Adam als Grenzgänger, glaubwürdig, ohne je voyeuristisch zu sein. Sein Priester hat nichts klerikales. Er lacht, spricht und trinkt mit den Jungs, als wäre er einer von ihnen. Er tanzt, hat Spaß und hört zu. Seine Predigten wirken reflektiert, fast schon philosophisch. Ein angenehmer Mann, ein Mensch, wie man ihn gerne hat. Und doch ist er ständig im Kampf mit seinen eigenen Leidenschaften und Begehren gefangen, ständig zerrissen zwischen seinen Aufgaben und seinen Hoffnungen. Szumowska zeigt diesen unsäglich, belastenden Kampf in einer Szene, die auf dieser Berlinale erst noch getoppt werden muss: Adam ist stock betrunken. Er tanzt, die Whiskyflasche in einer Hand, mit einem Bild von Papst Johannes Paul II durch sein Zimmer. Er weint. Es ist ein Augenblick tiefster Angst und Hilflosigkeit. Er, der allen helfen möchte, kann sich selbst nicht helfen. Ein wahrhaftiges Bild. Eines, das nur das Kino zeigen kann.
 

Im Namen des... (2013)

Vater Adam (Andrzej Chyra) joggt durch den Wald. Später sehen wir ihn auch einen einsamen Waldweg entlanggehen. Denn laufen sei wie beten, sagt der Priester, der im Alter von 21 Jahren seine Berufung zum Geistlichen entdeckte, als ihm sein toter Vater erschien. In der polnischen Provinz schlägt er sich mit heranwachsenden Jungs herum. Aber wenn er joggt, dann ist er ganz bei sich.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

franzien · 15.05.2014

Zur Berlinale gesehen und für sehr sehenswert befunden. Da haben unsere Nachbarn berührendes Erzählkino geschaffen.