Vic + Flo haben einen Bären gesehen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Im Bestiarium der Menschen

Victoria Champagne, genannt Vic ist der Name der Frau (Pierette Robitaille), die plötzlich in dem kleinen Ort irgendwo in der kanadischen Provinz auftaucht. Sie ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden und sucht nach einem Platz im Leben, nach einem Flecken, wo sie es sich neu einrichten kann. Hier, wo ihr Onkel Emile (George Molnar) lebt, soll es nun beginnen, das neue Leben nach dem Verbrechen, das sie begangen und nach der Strafe, die sie dafür verbüßt hat. Doch der Onkel ist mittlerweile halbseitig gelähmt und verstummt (vermutlich durch einen Schlaganfall). Mit langer grauer Mähne und einem ebensolchen gewaltigen Bart thront er wie eine stumme Gottheit in seinem verstellbaren Rollstuhl — stets präsent, aber niemals aktiv, sondern auf die Hilfe anderer angewiesen. Obwohl das vorherige Verhältnis von Vic und Emile niemals thematisiert wird, feuert sie kurzerhand den jungen Charlot (Pierre-Luc Funk) aus der Nachbarschaft und nimmt sich der Sache und des Onkels selber an.
Doch sie bleibt nicht lange allein, es sind die Schatten der Vergangenheit, die Vic in ihrem Versteck im Wald heimsuchen: Da ist zuerst der Bewährungshelfer Guillaume (Marc-André Grondin), der bei ihr auftaucht, dann folgt Flo (Romaine Bohringer, die aussieht, als sei sie die ältere Schwester von Charlotte Gainsbourg), Vics Geliebte und Zellengenossin aus dem Knast, die sich ebenfalls dort niederlassen will. Das vermeintliche Glück der beiden Frauen aber bekommt schnell Risse. Denn Vic klammert sich an Flo, die ihrerseits nur wenig Geschmack am einfachen Landleben findet. Die Liebe aufrecht zu erhalten, die im Knast viel einfacher und weniger Versuchungen von außen ausgesetzt war, das erweist sich als schwieriges Unternehmen. Zumal bald noch eine andere Bekannte aus früheren Zeiten auftaucht, die sich als Kneipenwirtin aus dem Dorf vorstellt, Marina St.-Jean (Marie Brassard) vorstellt, sich dann aber als die irre Jackie entpuppt, die noch eine ganz andere Rechnung offen hat.

Schon der skurrile Titel ließ ja im Vorfeld schon einiges erwarten. Zwar entpuppt sich dieser als (bewusst) irreführend, denn ein Bär – so viel sei verraten — taucht in dem gesamten Film nicht auf. Seltsam geht es aber dennoch zu in dieser Mischung aus Sozialdrama und Thriller, der gegen Ende recht unvermutet vom Absurden ins Brutale kippt. Im Jahre 2012 hatte der kanadische Regisseur Denis Coté im Internationalen Forum der Berlinale Bestiaire, einen überaus sehenswerten Dokumentarfilm über Tiere in Gefangenschaft vorgestellt. Wenn man so will, setzt sich sein Interesse für Erscheinungsformen der Gefangenschaft nun mit Vic + Flo haben einen Bären gesehen nahezu nahtlos fort, nun aber in Form eines sehr freien Spielfilms und mit Menschen statt Tieren als Ausgangspunkt seiner Beobachtungen.

Herrlich sind vor allem die Szenen, in denen Coté mit Skurrilitäten jongliert wie beispielsweise am Anfang des Films, als Vic, gerade angekommen, einem jungen Trompeter lauscht, der sein Instrument – um es mal so auszudrücken — noch perfekt beherrscht. In Szenen wie diesen erinnert der Film vor allem an belgische und skandinavische Sozialdramen wie Mammuth oder Ein Mann von Welt.

Die Idee, das mit einem Thriller zu verbinden, geht aber in diesem Fall nicht wirklich auf, zu unvermutet und willkürlich ist der Wechsel des Tonfalls. Als Einzelbestandteile wissen die beiden unterschiedlichen Grundelemente des Films durchaus zu gefallen, ihre Kombination aber hinterlässt zwar ein sperriges Werk, aber auch eines, an dem sich die Herzen und Sympathien des Publikums scheiden werden.

Vic + Flo haben einen Bären gesehen

Victoria Champagne, genannt Vic ist der Name der Frau (Pierette Robitaille), die plötzlich in dem kleinen Ort irgendwo in der kanadischen Provinz auftaucht. Sie ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden und sucht nach einem Platz im Leben, nach einem Flecken, wo sie es sich neu einrichten kann. Hier, wo ihr Onkel Emile (George Molnar) lebt, soll es nun beginnen, das neue Leben nach dem Verbrechen, das sie begangen und nach der Strafe, die sie dafür verbüßt hat.
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