Museum Hours

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein kunstvolles Kleinod

Es gibt Filme, deren ganze Meisterschaft zeigt sich nicht laut und aufdringlich, nicht mit gewaltigem Getöse und prunkvollen Bildern, sondern sie entwickelt sich ganz fein und leise, sie schleicht sich ins Herz des Zuschauers wie eine Liebe auf den zweiten oder dritten Blick. Jem Cohens nur dem ersten Anschein nach unspektakuläres Spielfilmdebüt Museum Hours ist genau solch ein Film, bei dem das Kunsthistorische Museum in Wien zum stummen, aber bilderreichen Zeugen einer zugleich alltäglichen und doch ungewöhnlichen Begegnung wird.
Die beiden Menschen, die sich dort begegnen, werden vom Zufall zusammengeführt in den Schatzkammern des Museums: Er, Johann (Bobby Sommer) ist ein distinguierter älterer Herr, der in den prächtigen Räumlichkeiten seinen Dienst als Aufsicht verdient. Früher einmal war sein Leben ziemlich bewegt, da war er Punk und Manager einiger wilder Bands, doch das ist ihm heute wahrlich nicht mehr anzusehen. Sie, Anne (Mary Margaret O’Hara), lebt eigentlich in Kanada und ist nur nach Wien gekommen, weil ihre Cousine, die keine anderen Verwandten mehr hat, ins Koma gefallen ist und im Krankenhaus der Stadt dem Tode entgegen schlummert. Die Zeit zwischen den Besuchen am Krankenbett verbringt Anne auf Erkundungstour durch das winterlich-triste Wien, und weil Johann sie in den Räumen des Museums anspricht, werden die beiden bald zu Gefährten, zu einem Freundespaar auf Zeit.

Ganz entfernt erinnert Jem Cohens filmisches Kleinod Museum Hours natürlich ein wenig an Richard Linklaters Before Sunrise — allein schon wegen der Zufallsbekanntschaft, von der der Film erzählt und wegen der melancholisch-schönen Kulisse Wiens. Viel näher aber kommt man dem Film und seiner ganz eigenen, zu gleichen Teilen realistischen wie poetischen Stimmung mit einem anderen Bezugspunkt. In der halbdokumentarischen Anmutung, die Musuem Hours auszeichnet, erinnert der Film an die Filme von Tizza Covi und Rainer Frimmel (Der Glanz des Tages, La pivellina, Babooska) — und auch diese beiden Regisseure kommen ja bekanntlich aus dem Bereich des Dokumentarischen.

Die Verschränkung von realem Leben und Fiktion spiegelt sich bei Jem Cohen auch in der Auswahl seiner Darsteller wieder — und auch das verbindet ihn mit dem österreichisch-italienschen Filmemacher-Paar. Bobby Sommer etwa war tatsächlich früher Roadie, Musiker und Manager verschiedener Bands und arbeitet heute unter anderem als Fahrer bei der Viennale — zweifelsohne eine schillernde Persönlichkeit, aber eben kein ausgebildeter Schauspieler im eigentlichen Sinne. Ähnliches gilt für Mary Margaret O’Hara, die wie Jem Cohen selbst aus der Bildenden Kunst stammt.

Dieses Interesse an Kunst seitens des Filmemachers und seiner beiden hinreißenden Hauptdarsteller findet sich vielfach in den Szenen von Museum Hours wieder. Immer wieder verharrt die Kamera auf Exponaten des traumschönen Kunsthistorischen Museums, auf kleinen antiken Figurinen oder immer wieder auf den Bildern Pieter Bruegels, des Älteren. Die hohe Kunst und das einfache Leben, das hier abseits jeder Postkartenromantik in verrauchten Kneipen und touristischen Sehenswürdigkeiten der unteren Kategorie stattfindet (das Kunsthistorischen Museum sei hier ausdrücklich ausgenommen) verschmelzen hier zu einem zauberhaften Ganzen.

Museum Hours

Ein Wärter im Kunsthistorischen Museum Wien macht die Bekanntschaft einer rätselhaften Besucherin. Gemeinsam tauchen sie tief in die Welt der Kunst und schließlich in ein poetisches, nicht ganz alltägliches (oder vielleicht auch gerade alltägliches, doch unentdecktes?) Wien ein.
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