The Congress (2013)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Im Kaninchenbau der Bedeutungsebenen

Fünf Jahre Zeit hat sich Ari Folman gelassen, bis er seinen zweiten Langfilm in Cannes als Eröffnungsfilm der Reihe „Quinzaine des Réalisateurs“ präsentiert hat. Als dann der Abspann zu The Congress lief, war eher Ruhe im Saal und viel Verwirrung. Um ehrlich zu sein ist dies einer dieser Filme, die ein schierer Rezensionsalptraum sind. Denn bereits ein adäquates Wiedergeben der Geschichte erweist sich schnell als wahre Herkulesaufgabe.

Versuchen wir es aber trotzdem: Robin Wright, eine amerikanische Schauspielerin, die man wohl vor allem aus Die Braut des Prinzen und Forrest Gump kennt, spielt sich in diesem Film selbst. Ihre Karriere ist eher mau, sie ist B-Klasse. Noch dazu ist sie schon — Gott bewahre — in ihren Vierzigern. Von ihrem Studio bekommt sie das Angebot sich scannen zu lassen und fortan ein digitaler Star zu werden. Unter der Voraussetzung, dass der Originalmensch Robin Wright nie wieder schauspielert. Sie unterschreibt — mit viel Unbehagen. Zwanzig Jahre später — die digitale und jüngere Robin Wright ist mittlerweile ein unglaublicher Actionstar geworden — wird die echte Robin zu einem Kongress in eine abgeschirmte Zone eingeladen in der alle Menschen, dank der Einnahme von Halluzinogenen animierte Figuren sind. Auf dem Kongress wird eine neue Droge vorgestellt mit der Menschen fortan nicht mehr sie selbst sein müssen, sondern sein können wer sie wollen und somit für immer in einer Traumwelt bleiben können.

The Congress ist teils klassisches Schauspiel, teils Animation, so wie man sie aus Folmans Waltz with Bashir schon kennt. Auf der Geschichte Der Futurologische Kongress von Stanislaw Lem basierend, stellt Folman hier ein Werk vor, das man, je nach subjektiver Ansicht, entweder als völlig überladenes Potpourri oder als abgefahrenes philosophisches Science-Fiction Großwerk bezeichnen könnte. Wir entscheiden uns für letzteres. Diesen Film muss man gesehen haben und man muss ihn vor allem mehr als nur einmal sehen. Ganz wie in Leos Carax‘ Geniestreich Holy Motors passieren so viele Dinge, die miteinander in intuitiver Verbindung stehen, dass es unmöglich ist, diesen Film in seiner Gesamtheit zu erfassen. Rein oberflächlich betrachtet, kann man sagen, dass Folman hier eine Parodie auf die amerikanische Filmindustrie hinlegt, die von lustigen Insiderwitzen und bitterbösen Wahrheiten nur so strotzt. „Wir wollen dieses Ding namens Robin Wright besitzen, Robin!“ sagt der Studioboss zu ihr. Dieses Ding, das ist die Schauspielerin, ihr Image, ihre Projektionsfläche — nicht der Mensch. Dass der Preis für eine Frau über 40 natürlich nicht mehr so prall ist, ist klar. Doch das Einscannen und Digitalisieren ihrer Persönlichkeit setzt eine zweite Ebene in Bewegung. Ab hier geht es vor allem um Medienethik. Darf eine Firma einen Menschen kaufen? Was macht ein Schauspieler, wenn er ein digitales „Ich“ hat, das viel besser, weil konformer, funktioniert? Wo bleibt der freie Wille und ist es moralisch, den Zuschauern eine Illusion eines Schauspielers zu geben, der ja schon per Definition seiner Kunst eine Illusion ist?

Da schwirrt einem schon ganz schön der Kopf, doch da ist Folman noch lange nicht fertig und der Film erst am Anfang des Kaninchenbaus. Mehr und mehr wandeln sich diese Fragen in philosophische Erörterungen über den freien Willen und über Realität und Illusion. Und hier wird es ganz verrückt, denn es scheint, als würde Folman dem Film als Medium eine kritische Frage stellen: ist Film nur Illusion, die die Massen vor die Leinwand zieht und ihnen ein anderes, besseres Leben suggeriert? Eine spannende Frage aber gleichsam eine unfassbare Diskrepanz, denn stellt Folman diese Frage nicht gerade IN EINEM FILM? Und dann noch einem, der mit Animationen arbeitet und daher noch illusorischer, traumhafter in seiner Gestalt ist?

Und auch hier ist der Film noch nicht am Ende, immer wieder findet Folman neue Aspekte, doch den Rest findet man am Besten im Kino selbst heraus.

(Festivalrezension Cannes 2013 von Beatrice Behn)

The Congress (2013)

Fünf Jahre Zeit hat sich Ari Folman gelassen bis er seinen zweiten Langfilm in Cannes als Eröffnungsfilm der Reihe „Quinzaine des Réalisateurs“ präsentiert hat. Als dann der Abspann zu „The Congress“ lief, war eher Ruhe im Saal und viel Verwirrung. Um ehrlich zu sein ist dies einer dieser Filme, die ein schierer Rezensionsalptraum sind. Denn bereits ein adäquates Wiedergeben der Geschichte erweist sich schnell als wahre Herkulesaufgabe.

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