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Specials

Grrrrls-Power

Denkt man an den Coming-of-Age-Film, so kommen einem zunächst all die Jungsfilme in den Sinn. Dabei gibt es ganz viele Filme, in denen die Mädels die Hauptrollen spielen. Zeit für etwas Grrrrls-Power auf dem Bildschirm.

Meinungen
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Assassination Nation von Sam Levinson

Dieser Film ist wütend, schnell und verführerisch: Sam Levinson, der Serienschöpfer von Euphoria, hat mit Assassination Nation einen feministischen Brandsatz gelegt, über den man herrlich mit anderen Menschen streiten kann. Ist das nun genial subversiv oder oberflächlich? Meine Antwort ist: Dieser Film ist subversive Oberfläche und muss es sein.

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Die ganze Ästhetik ist Social Media, ist Instagram und Twitter. Mit seiner Gefälligkeit, seiner unglaublichen Geschwindigkeit und seinem Look zieht einen der Film in den Bann, nur um die Konventionen mit jeder Filmminute zu brechen: Die jungen Heldinnen, die zur Zielscheibe einer neuen Hexenjagd werden, ziehen ihre widerständige Kraft aus den Bildern, wenden das Medium gegen sich selbst und werden das, was sie eigentlich nicht sein dürfen – selbstbestimmte Kämpferinnen. Assassination Nation wirbelt die Themen Sexismus, Gender, Race und Class zu einem Wirbelsturm aus pulsierenden Bildern. Wenn dann der Abspann läuft, hat man durchaus Lust auf Revolution.  
 
Sebastian Seidler

Eighth Grade von Bo Burnham

Cringe – das Jugendwort des Jahres 2021. Aus dem Englischen übersetzt bedeutet cringe so viel wie zusammenzucken oder erschaudern. Umgangssprachlich wird das Wort aber als Ausdruck für fremdschämen benutzt. Ist eine Situation besonders peinlich zu erleben oder zu beobachten, kann dies als cringe bezeichnet werden. Menschen in der Pubertät schämen sich häufig. Mal für die Eltern, mal für Freund*innen oder eben ganz häufig für sich selbst. Die allgemeine Unsicherheit, die man verspürt, weil sich der Körper verändert, die Gedanken durcheinandergeraten und man alle Menschen um sich herum auf einmal anders wahrnimmt.

Cringe – so könnte man auch das Leben von der 13-jährigen Kayla (Elsie Fisher) beschreiben. Sie befindet sich am Ende der 8. Klasse und wird sehr bald in die Oberstufe versetzt. „Ich bin immer nervös“, gesteht Kayla an einer Stelle. „Ich könnte nichts tun und wäre trotzdem nervös. Es ist wie das Gefühl, bevor man mit der Achterbahn fährt — dieses blöde Kribbeln im Bauch. Nur dass das Gefühl, das man nach der Achterbahnfahrt hat, nie kommt.“ Die Geschichte von Eighth Grade ist bemerkenswert schlicht: Kayla muss sich in sozialen Angelegenheiten zurechtfinden, die sie lieber nicht erleben würde. Eine schreckliche Poolparty auf der Geburtstagsfeier des beliebten Mädchens ist besonders belastend, aber wenigstens hat sie ihre YouTube Channels.

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Das Schöne an Eighth Grade ist, dass er sehr konkret und generationsspezifisch ist. Es ist der erste Film, der die Teenager-Erfahrungen derjenigen, die erst seit dem digitalen Zeitalter auf der Welt sind, in großem Stil einfängt. Eighth Grade zeigt, wie die allgegenwärtige digitale Welt, in der wir leben, unsere soziale Struktur und unsere Persönlichkeit tiefgreifend beeinflusst.

Sophia Derda

Booksmart von Olivia Wilde

Es ist der letzte Schultag vor der Abschlussfeier. Die Highschool ist vorbei und das College ruft. Amy (Kaitlyn Dever) und Molly (Beanie Feldstein) sind Musterschülerinnen und voller Überzeugung das, was gemeinhin Streber genannt wird. Dann müssen sie feststellen, dass ihre Mitschüler*Innen mit weitaus weniger Einsatz auch ziemlich gut gefahren sind und dabei das Leben ein wenig mehr genossen haben. Deshalb beschließen die besten Freundinnen, dass sie an diesem einen Abend ihre Grenzen austesten wollen, um herauszufinden, was sie verpasst haben. Mit großer Unbedarftheit wirft sich der Film in eine wilde Partynacht, die sich schnell in eine aberwitzige, urkomische und berührende Odyssee verwandelt. 

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Booksmart wird sehr gerne mit Greg Mottolas Superbad verglichen. Das liegt an der sehr ähnlichen Ausgangssituation. Olivia Wildes Film ist aber in jeder Hinsicht der klügere Film und in gewisser Weise gar ein Gegenentwurf zum betont schmutzigen Humor der männlichen Variante: Mitunter wirkt die heterosexuelle Dringlichkeit bei Superbad seltsam verklemmt und stützt alte Rollenbilder. Booksmart hingegen setzt sich mit einer mitreißenden Leichtigkeit über alle Klischees hinweg, weil seine Heldinnen einfach sein dürfen. Der Feminismus ist dem Film nicht einfach übergestülpt. Hier wird er ausprobiert, verstolpert und erfahren. Die Lässigkeit, mit der hier über Sex gesprochen wird, hat etwas ungemein Befreiendes. Auch wie mit dem Thema Homosexualität umgegangen wird, sollte als Vorbild für alle kommenden Teenager-Komödien gelten. Um es mit den Worten unseres Autors Rochus Wolff zu sagen:

„Man würde sich wünschen, Homosexualität wäre so selbstverständlich in diese Filme integriert, wie es hier bei Amy der Fall ist. Geschlechterrollen wären so selbstverständlich fluide, wie es bei Booksmart ist, wo ‚gender performance‘ ebenso zum Vokabular der Protagonistinnen gehört wie ‚vagina‘. Sexuell aktive Schülerinnen wären niemals Schlampen. Körpergewicht und sexuelle Orientierung wären niemals Thema, und sicher nicht für herablassende Bemerkungen.“  

Sebastian Seidler

Lady Bird von Greta Gerwig

Christine (Saoirse Ronan) ist 17, möchte „Lady Bird“ genannt werden und ist von ihrem Highschool-Dasein in Sacramento furchtbar angeödet. Überdies gerät sie immer wieder in Konflikt mit ihrer strengen Mutter Marion (Laurie Metcalf) – und auch die ersten Liebeserfahrungen, etwa mit dem schüchternen Danny (Lucas Hedges) oder dem blasierten Kyle (Timothée Chalamet), halten einige bittere Enttäuschungen bereit.

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Das fünffach Oscar-nominierte Solo-Langfilmregiedebüt von Greta Gerwig, zu dem sie auch das Skript verfasste, widmet sich dem Erwachsenwerden in der Kleinstadt mit der nötigen Glaubwürdigkeit. Die Handlung enthält die typischen Coming-of-Age-Bausteine – aber es gelingt Gerwig und ihrem Team, dem Ganzen mit kleinen Kniffen etwas angenehm Frisches und Originelles zu verleihen. So ist etwa die Mutter-Tochter-Beziehung komplexer und komplizierter, als wir das aus anderen Genre-Vertretern kennen. Und die Nebenfiguren, insbesondere Beanie Feldstein als beste Freundin der Protagonistin, sind weit mehr als alberne Sidekicks.

Andreas Köhnemann

Rot von Domee Shi

Auch das Animationskino macht sich seit Jahren für Coming-of-Age-Geschichten aus weiblicher Perspektive stark — man denke etwa an Pixars Alles steht Kopf, der die zunehmende Komplexität der inneren Gefühlswelten im Zuge der Pubertät aufgreift, aber auch geschlechterunabhängig funktioniert. Im Gegensatz zu Rot, der sich explizit den Veränderungen des weiblichen Körpers in dieser so wilden Lebensphase widmet: Die Schülerin Mei wird hier durch einen Familien-„Fluch“ immer dann, wenn sie sich aufregt, zu einem riesigen Roten Panda. Was einerseits natürlich für das Einsetzen der weiblichen Periode, andererseits aber auch für all die anderen körperlichen Veränderungen und die damit verbundene Neuausrichtung der eigenen Identität steht.

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Die geht auch mit einer Abkopplung aus der elterlichen Obhut einher, was bei Meis Mutter für entsprechende Widerstände sorgt. Deren Kontrollzwang wird hier auf eine harte Belastungsprobe gestellt, während Mei ihre Leidenschaft für Jungs, Boybands, Partys, überhaupt: Freiheit entdeckt. Natürlich spart der Film Klischees nicht aus, geht sie sogar offensiv und mit viel Humor etwa in den dezent überzeichneten, aber doch höchst liebenswerten Figuren an. Vor allem aber sprüht er nur so vor jugendlicher Energie und Leichtigkeit — auch das gehört schließlich zu dieser Lebensphase dazu.

Christian Neffe

Kikis kleiner Lieferservice von Hayao Miyazaki

Noch ein anderes Animationsstudio rückt schon seit Jahrzehnten junge weibliche Figuren in den Fokus ihrer Erzählungen: Studio Ghibli. Hier dürfen sie die Welt oder ihre Freunde retten — oder auch einfach nur ihr eigenes Business auf die Beine stellen. Siehe Kikis kleiner Lieferservice, in dem eine 13-jährige Hexe ihre Ausbildungsreise antritt und merkt, dass sie zwar nicht wirklich talentiert in Sachen Magie ist, dafür aber sehr gut auf ihrem Besen fliegen kann, und deshalb als selbstständige Lieferbotin anheuert.

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Und das in einer Welt, die ans Mitteleuropa Anfang des 20. Jahrhunderts angelehnt ist — durchaus utopisch also. Kiki plagen dabei immer wieder Selbstzweifel, durch die sie fast ihre Kräfte verliert, die sie mithilfe ihrer Freunde aber überwinden kann. Die simple wie effektive Botschaft: Du bist nicht allein und musst dich nicht schämen, andere auf dem Weg zum Erwachsenenalter um Hilfe zu bitten.

Christian Neffe

 

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