
Ich durfte Human Flowers of Flesh auf dem Filmfestival Locarno sehen. In meiner Festivalkritik schrieb ich: „Menschliche Blumen aus Fleisch“ — der Titel ist bereits paradox und in gewisser Weise ein Schlüssel für dieses Poem aus Landschaften, Reliefs und organischen Verwebungen. Ich würde den Satz heute genauso schreiben. Allein deshalb, weil mich der Titel dieses rätselhaft-fließenden Films zum Träumen anregt: Blumen und Fleisch, Menschen und Pflanzen. Helena Wittmann webt in ihrem Film ein sinnlich-verführerisches Tuch, in dem Menschen und organische Strukturen, Steine und Haut/Haare/Körper völlig gleichberechtigt nebeneinander stehen dürfen.
Ida (Angeliki Papoulia) lebt mit ihrer männlichen Crew auf einem Boot. Gemeinsam fährt die Gruppe die französische Küste entlang. Auf dem Festland spricht man bereits von der mysteriösen Frau und beneidet ihre Freiheit. An Bord wird kaum gesprochen. Manchmal werden Gedichte oder Auszüge aus Romanen vorgelesen. Man isst gemeinsam, geht schwimmen und bildet eine Gemeinschaft, in der die Unterschiede keine Rolle mehr spielen. Ida spürt der Vergangenheit der Fremdenlegion nach, die ihre Sedimente in der französischen Gesellschaft abgelagert hat.
Dabei flechtet die deutsche Regisseurin gekonnt Bezüge zu Claire Denis‘ Meisterwerk Beau Travaille ein, lässt eine Tanzszene entstehen, die man als intensive Reminiszenz an die Französin zu verstehen ist. Gleichzeitig ist Human Flowers of Flesh ein langsamer Abenteuerfilm, der an Bord des Schiffs eine eigene Art des Zusammenlebens propagiert – nein, davon erzählt, erfahrbar macht.
Wer sich durch die Poesie dieses Films einfangen lassen will, findet nun endlich die Möglichkeit dazu: bei MUBI ist der Film gerade zu sehen.
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