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Streaming-Tipps

Streaming-Tipp des Tages: De Humani Corporis Fabrica

Ein Beitrag von Mathis Raabe

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Filmstill zu De humani corporis fabrica (2022) von Verena Paravel
De humani corporis fabrica (2022) von Verena Paravel

Endlich kommt das Latinum mal wieder zum Einsatz: „Über den Stoff des menschlichen Körpers“ heißt dieser Film, nach einem Standardwerk über die menschliche Anatomie aus dem 16. Jahrhundert. Ein wissenschaftlich klingender Titel, und das nicht von ungefähr: Die Filmemacher*innen Lucien Castaing-Taylor und Véréna Paravel sind Teil des Sensory Ethnography Lab, eines interdisziplinären Zentrums der Harvard University, das den Menschen und dessen Kultur mit den Mitteln der Bildenden Kunst erforscht.

Zu diesem Zweck hat das Duo schon Kameras an Fischen befestigt (Leviathan). De Humani Corporis Fabrica ist erneut eine experimentelle Dokumentation mit ungewöhnlichen Perspektiven. Diesmal wurden Operationen gefilmt – und zwar nicht über die Schulter des Chirurgen, sondern aus dem Inneren menschlicher Körper heraus. Diese abjekten Orte entwickeln dabei schnell eine eigene Ästhetik und formieren eine filmische Welt. Wie schön sich der Pankreas im Hintergrund entfaltet! Welch elegante Kamerabewegung durch den Darm! Man denkt an Die phantastische Reise (1966), in dem eine geschrumpfte Raquel Welch eine Gehirnoperation vornehmen muss; nur sind die Körperwelten diesmal keine Pappmaché-Bauten, sondern dokumentarische Bilder, und die Protagonisten der Welt sind Greifarme, Schläuche und anderes OP-Werkzeug.

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Auch ein Auge sowie die Harnröhre eines Penis werden penetriert. Das mutet provokant an. Der Clou: Auf der Tonebene sind laufend die Gespräche des medizinischen Fachpersonals zu hören. Die sind oft beiläufig und haben mit der laufenden Operation überhaupt nichts zu, was dann interessante Kontraste erzeugt und nicht nur die Ekel- oder Schamgefühle der Zuschauenden in Frage stellt, sondern auch Krankheit und Tod auf schmerzliche Weise normalisiert. An anderer Stelle wird auch die hohe Arbeitsbelastung in Krankenhäusern zum Thema.

De Humani Corporis Fabrica ist eine ungewöhnliche und fordernde Filmerfahrung, die am Ende kathartisch sein kann, gerade wenn die Filmbilder auch Persönliches berühren.

Der Film ist heute bei MUBI erschienen.

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