zurück zur Übersicht
Streaming-Tipps

Streaming-Tipp des Tages: Birth

Ein Beitrag von Sebastian Seidler

Meinungen
Birth
Birth

Manche Regisseur*Innen machen nur alle paar Jahre einen Film. Von den nur drei Filmen, die der Brite Jonathan Glazer gedreht hat, ist jeder einzelne besonders. Sein hypnotisches Sci-Fi-Drama Under the Skin gehört schon jetzt zu den ganz großen Klassikern des Genres: Die Geschichte einer außerirdischen Lebensform, die als verführerische Frau Männer in die Falle lockt, nur um dann selbst ein Mensch sein zu wollen, ist auf ein ganz leise Art verstörend. Ein ähnlich untergründiges Flüstern wohnt Birth inne, der heute, in der Rückbetrachtung, wie eine Mischung aus The Sixth Sense und The Killing of a Sacred Deer wirkt. 

Nicole Kidman spielt Anne, eine Frau aus der New Yorker Oberschicht. Obwohl der Tod ihres damaligen Mannes Sean bereits über zehn Jahre zurückliegt, trägt die grazile Frau immer noch einen pochenden Schmerz in sich. Kurz vor der Hochzeit mit ihrem neuen Partner taucht ein zehnjähriger Junge auf, der behauptet, die Reinkarnation von Sean zu sein. Zunächst hält dies jeder für einen bösen Scherz eines Kindes. Doch als dieses immer mehr Details über die damalige Beziehung zu wissen scheint, beginnt die Welt von Anne ins Wanken zu geraten – sie beginnt, sich erneut zu verlieben.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Birth hat die Bedrohlichkeit einer Geistergeschichte, die mit schauerlicher Strenge gefilmt ist. Wenig wird gesprochen. Das Schweigen von Kidman aber ist von beredter Aussagekraft. Mit müheloser Verletzlichkeit und bebender Furcht zeichnet der Hollywood-Star das Porträt einer verunsicherten Frau, die sich einer dunklen Ahnung nicht stellen will. Der Abgrund tritt in Gestalt eines Kindes auf: unschuldig und zugleich bedrohlich. Glazers Film ist wie eine klassische Komposition, die ein New York zeichnet, wie man es aus Stanley Kubricks ebenso flirrend-spannendem Eyes Wide Shut kennt – etwas steif, fröstelnd und vor allem eine Schlucht des Begehrens. 

Als der Film 2009 erschien, gab es einigen Aufruhr. In einer Szene küsst eine nackte Nicole Kidmann den Jungen in der Badewanne. Schließlich behauptet dieser, ihr verstorbener Ehemann zu sein. Die Birth durchziehende Ambivalenz aus Unschuld und erwachsener Körperlichkeit kulminiert in einem drastischen Bild, das allerdings mit Kinderpornographie oder Übergriffigkeit nichts zu tun hat. Vielmehr muss diese Szene als ein Zeichen gelesen werden, wie stark die Verbindung zwischen zwei Menschen sein kann, dass die Trauer um den Verlust die Sinne derart vernebelt. Hinter dem Nebel aber, da liegt die Lüge – und diese schmerzt brennend.

Birth gibt es im Abo bei Prime Video.

Meinungen