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Streaming-Tipps

Couchperle: Wild Palms

Ein Beitrag von Andreas Köhnemann

Anfang der 1990er Jahre, als TV-Serien üblicherweise noch nicht mit dem späteren Prestige, sondern eher mit Fließband-Unterhaltung assoziiert wurden, wirbelte David Lynch mit „Twin Peaks“ die Szene gehörig auf. Im Schatten dieser Fernsehsensation erblühten wiederum die „Wild Palms“.

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Still zu Wild Palms (1993) von Peter Hewitt, Keith Gordon, Kathryn Bigelow, Phil Joanou
Wild Palms (1993) von Peter Hewitt, Keith Gordon, Kathryn Bigelow, Phil Joanou

Während Twin Peaks bis heute den meisten film- und serieninteressierten Leuten ein Begriff sein dürfte (und zudem 2017 mit einer dritten Staffel fortgesetzt wurde), ist Wild Palms weitgehend in Vergessenheit geraten. Völlig zu Unrecht, wie wir jetzt dank einer aktuellen DVD-Veröffentlichung durch PIDAX feststellen können.

Die ABC-Produktion, die hierzulande erstmals im Dezember 1993 auf RTL 2 zu sehen war, basiert auf einer 1990 erschienenen Comicreihe, geschrieben von Bruce Wagner. In fünf Episoden und insgesamt rund 275 Minuten nimmt uns die Miniserie mit in die USA der Zukunft, genauer gesagt: ins damals noch recht ferne Jahr 2007. Das Land ist inzwischen stark von der japanischen Kultur geprägt, was sich etwa in der Mode und in der Ausstattung des inneren und äußeren Raums bemerkbar macht. Die Bilder, die das Regieteam, bestehend aus Peter Hewitt, Keith Gordon, Kathryn Bigelow und Phil Joanou, findet, um diese Welt auf unseren Bildschirmen zum Leben zu erwecken, sind aus heutiger Sicht womöglich sogar noch reizvoller als damals, da nun eine gewisse Nineties-Nostalgie auf eine Fantasie-Zukunft trifft.

Im Zentrum steht der Patentanwalt Harry Wyckoff (James Belushi), der mit seiner Frau Grace (Dana Delany) und seinen zwei Kindern in Los Angeles lebt. Als Paige Katz (Kim Cattrall), ein Schwarm aus vergangener Zeit, wieder in sein Leben tritt und ihn um einen Gefallen bittet, gerät alles rasch aus den Fugen. Dies hat auch mit dem Senator Tony Kreutzer (Robert Loggia) zu tun, der eine Art Sektenführer ist und ein ominöses Medienunternehmen leitet, das an der Schaffung einer virtuellen Realität arbeitet.

Wilde Albträume von einem Nashorn im leeren Swimmingpool, neuartige Techniken mit gruseligen Nebeneffekten, bizarre Zeichen, Intrigen, Morde, Affären – Wild Palms ist wirklich zu keiner Sekunde langweilig. Während Twin Peaks seine anfangs vorhandenen Genre-Versatzstücke immer mehr zur Auflösung brachte, umarmt die von Oliver Stone mitproduzierte Miniserie ihre diversen Elemente, von Science-Fiction- über Krimi- und Thriller- bis hin zu Soap-Bausteinen, mit spielerischer Leidenschaft. Kim Cattrall (Sex and the City) ist eine anmutige Femme fatale, und auch Angie Dickinson (Dressed to Kill) darf als Harrys Schwiegermutter herrlich fies sein. Eine funkelnde TV-Perle mit zahlreichen Wendungen – und doch einem runden Schluss. Welch Freude!

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