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Norman Lloyd - Wegbegleiter der Legenden

Ein Beitrag von Christian Neffe

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Norman Lloyd neben Robin Williams in Der Club der toten Dichter
Norman Lloyd neben Robin Williams in Der Club der toten Dichter

Manche Menschen haben in ihrem Leben derart viel erlebt, dass es eigentlich für zwei reichen würde. Einer dieser Menschen war Norman Lloyd, der vor genau einem Jahr im hohen und hoffentlich glücklichen Alter von 106 Jahren verstarb. 106 Jahre, die die Geschichte des Mediums Film nahezu komplett abdeckten: Lloyd war Wegbegleiter von Legenden wie Orson Welles, Alfred Hitchcock und Charlie Chaplin, sowohl als Schauspieler wie auch als Regisseur und Produzent aktiv, führte eine der längsten Ehen Hollywoods und war zugleich der älteste dort arbeitende Schauspieler.

Lloyds Leben und Karriere endete zwar im Westen der USA, begann aber im Osten: Geboren 1914 in New Jersey absolvierte er seine frühsten Bühnenauftritte bereits im Kindheitsalter, seine erste Rolle am Broadway erhielt er 1927. Wirklich professionell wurde es aber erst am Civic Repertory Theatre, das besonders während der Großen Depression als politisch engagiert galt, 1934 jedoch schließen musste. Lloyd wechselte daraufhin an Orson Welles‘ Mercury Theatre, verdingte sich nebenher als Hörspielsprecher — und wäre Welles schon damals beinahe nach Hollywood gefolgt. Eigentlich war er für eine Rolle in Citizen Kane vorgesehen, aufgrund der Verzögerungen bis zum Drehbeginn blieb er jedoch vorerst am Broadway und agierte dort unter anderem unter der Regie von Elia Kazan.

Noch vor seiner Kinokarriere begleitete Lloyd die Geburtsstunde des Fernsehens: Seine Premiere hatte er 1939 im ersten US-Fernsehfilm The Streets of New York und damit offenbar seine neue Leidenschaft gefunden. Zwei Jahre später ging er nach Hollywood und fand seine erste Anstellung bei Alfred Hitchcock: In Saboteure (1942) verkörperte er den Spion Frank Fry. Es folgten weitere (vornehmlich Neben-)Rollen unter Hitchcock sowie unter Jean Renoir (Der Mann aus dem Süden, 1945) oder Charlie Chaplin (Rampenlicht, 1952), mit dem er über lange Zeit mehrmals wöchentlich Tennis spielte. Nebenher sammelte er erste Regieerfahrungen als Assistent von Lewis Milestone und pflegte eine gute Freundschaft zu Buster Keaton.

Es folgte der Wechsel ins Seriengeschäft — allerdings erst nach einer Zwangspause: Lloyd wurde in den 50ern kommunistischer Aktivitäten verdächtigt und landete deshalb auf einer Liste mit Verdächtigen für die Schwarze Liste. Beruflich rettete ihn die Freundschaft zu Hitchcock, dem diese Liste nonchalant ignorierte und Lloyd als Regisseur, Produzent und Schauspieler für die TV-Reihe Alfred Hitchcock Presents gewann.

Erst in den 80ern nahm Lloyds Karriere auf allen drei Zweigen wieder Fahrt auf: Er spielte eine der Hauptrollen in der Serie St. Elsewhere (1982 bis 1988), produzierte die mehrfach Emmy-nominierte Serie The Name of the Game (1969/70), spielte den Schuldirektor in Der Club der toten Dichter (1989) oder unter Martin Scorsese in Unschuld (1993). 22 Director-, 39 Producer- und 68 Actors-Credits sind bei imdb für Lloyd gelistet — der letzte datiert auf das Jahr 2015, wo unter Judd Apatow in Dating Queen — laut eigener Aussage vollkommen improvisiert — spielte und damit zum ältesten noch aktiven Schauspieler Hollywoods avancierte. Zu dieser letzten Rolle sagte er einmal humorvoll:

„I appreciated Apatow’s choice of me for his film but was upset he didn’t put me in any of the hot scenes.“ — Norman Lloyd

Schon vier Jahre zuvor hatte er einen weiteren Altersrekord aufgestellt: Mit 75 galt seine Ehe mit Theaterschauspielerin Peggy Craven als eine der längsten in der Traumfabrik, die ihr tragisches Ende mit dem Tod Cravens im Jahr 2011 fand.

Bis zuletzt blieb Lloyd ein lebensfroher und -bejahender Mensch. Wer einen kurzen Einblick in seinen Charakter hinter der Kamera bekommen will, sei dieses kurze Interview des Hollywood Reporters von 2016 ans Herz gelegt.

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„Norman Lloyd is the history of our business“, sagte Schauspieler Karl Malden einmal über Norman Lloyd. Und auch wenn er nicht so tiefe Fußspuren in der Branche hinterlassen haben mag, wie es seine Weggefährten Welles, Hitchcock und Chaplin taten, so hatte Malden recht: Lloyd war Fernsehfilm- und -serienpionier, Augenzeuge des Golden Age of Hollywood, Opfer der dortigen Kommunistenverfolgung, prägte die frühe Serienlandschaft maßgeblich und war schließlich auch im Hollywood der 90er und des neuen Jahrtausends aktiv. Oder wie Todd McCarthy einem Stück zum 106. Geburtstag Lloyds schrieb: 

“There truly is no significant actor left who was part of the politically engaged New York theatre of the 1930s, worked with major Hollywood filmmakers whose careers stretched from the silent cinema into the 1960s, was a pioneer in television and always kept his hand in with his first love, the stage.“ — Todd McCarthy

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