zurück zur Übersicht
Darling der Woche

Darling der Woche: Filme übers Kino

Passend zu unserer Jahresserie „…und das Kino denkt sich selbst“ und zum Start von Empire of Light  präsentieren wir unsere liebsten Filme, die der Kunst des Films huldigen.

Meinungen
Filme über Kino
The Player / Nope / Inland Empire

Vielen Kinogänger*innen dürfte aufgefallen sein, dass sich Filme übers Filmemachen dieser Tage häufen. Kaum hatte man den opulenten „Babylon“ gesehen, der sich dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm widmet, startete auch schon Steven Spielbergs autofiktionaler „Die Fabelmans“. Mit „Empire of Light“ kommt nun erneut ein Film in die deutschen Kinos, der schon im Titel auf die Projektion verweist. Spricht das für ein Nostalgie-krankes Hollywood, das sich selbst mythologisieren muss, um sich seiner Relevanz zu versichern, oder fungiert das Kino nicht gerade bei Spielberg und Sam Mendes doch nur als Setting, um eigentlich zutiefst menschliche Geschichten zu erzählen? Bei der Beantwortung dieser Frage hilft der Vergleich mit anderen Filmen übers Filmemachen. Schließlich gibt es die schon mindestens seit Buster Keatons „Sherlock jr.“ aus dem Jahr 1924, in dem ein Filmvorführer im Traum in die Leinwand eintaucht. Die Kino-Zeit-Redaktion stellt persönliche Favoriten vor – auch als Ergänzung zu unserer Jahresserie, in der wir uns mit Selbstreflexionen des Kinos beschäftigen.

Inland Empire von David Lynch

Es ist vielleicht der eigenwilligste Film in der an eigenwilligen Filmen nicht armen Filmographie des amerikanischen Regisseurs. Auf jeden Fall ist es sein rätselhaftester und unheimlichster. Der Plot in all seinen Verästelungen kaum zusammenzufassen. Auf die essentiellste Ebene runtergebrochen, handelt Inland Empire von einer verfluchten Filmproduktion, in deren Schlund aus Fiktion, Zeitebene und Realitätsverzerrung sich eine Schauspielerin (Laura Dern). Darin gibt es dann eine Sitcom mit sprechenden Hasen, geheimnisvolle Zimmer, kafkaeske Beamte und obskure Tanzeinlagen. 

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Mit seinen 180 Minuten ist der letzte Kinofilm von David Lynch ein Monolith; gefilmt mit einer billigen DV-Kamera mit Autofokus. Selbst die Bilder haben hier ihren Halt verloren, lösen sich aus ihrer Logik und flotieren hier frei herum. Das kann man anstrengend finden. Wer sich darauf einlassen kann, verfällt in einen meditativen Zustand, in eine hochsensible Trance. Als ich damals, nach dem Abspann das Kino in Regensburg verlassen habe und durch die Altstadtgassen schlenderte, hatte ich das mulmige Gefühl, jeden Moment aus der Filmkulisse fallen.

Alles überlagert sich im Inland Empire. © Concorde Filmverleih

Inland Empire hat eine ungemeine Kraft, die daher rührt, dass der Film tief in das sinnliche Gewebe des Kinos eintaucht: Kino ist immer auch ein Spiel mit dem Feuer, ein Taumel am Verlust des Selbst. Die Bilder legen sich über unseren Alltag, erzeugen Nachhall, Schutzräume und Schreckenskammern: Ein einfacher Weg nach Hause wird zum Spießrutenlauf der Angst und ein Unscheinbare Bar zu einem Ort der Möglichkeit. Inland Empire ist die lyncheske Psychonalyse der Filmkunst, in der jeder Schrecken auch einen Glanz entfaltet. Und Laura Dern war nie unheimlicher.  

Sebastian Seidler  

Ed Wood von Tim Burton

Ed Wood ist nicht nur einer der berühmtesten B-Film-Regisseure, woran die Verfilmung seines Lebens durch Tim Burton großen Anteil hat. Er repräsentiert auch wie kein anderer, was den Charme eines guten B-Film-Regisseurs ausmacht: dass man die Liebe zum Film und den Willen, einen guten, wenn nicht gleich den besten Film aller Zeiten zu schaffen, förmlich durch die Leinwand spüren kann. Auch wenn dieser Wille natürlich scheitern muss.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Ed Wood hatte nicht nur große Ambitionen und ein großes Selbstbewusstsein, gemessen an seinen Fähigkeiten – Orson Welles war sein großes Vorbild. Er hatte auch ohne Zweifel Ideenreichtum und eine große Hingabe. Um seine Arbeit finanzieren zu können, gewann er auch mal eine Religionsgemeinde oder einen Fleischhändler als Sponsor, und trotz des ausbleibenden Erfolgs blieb er der Filmindustrie zwei Dekaden lang treu und hinterließ bei seinem Tod Unmengen von Skripten und unvollendeten Projekten.

"Martin Landau als Bela Lugosi in Ed Wood"
Martin Landau als Bela Lugosi. © Buene Vista International

Tim Burtons Biopic ist filmsprachlich konventioneller als alles, was Ed Wood je gedreht hat und sucht keine Formnähe zu seinem Gegenstand. Stattdessen sind die Szenen aus Woods Leben wie aus seinen Filmen mit großer Genauigkeit nachinszeniert: von den auseinanderfallenden SciFi-Sets bis zur starken Besetzung Martin Landaus als Bela Lugosi. Auch Ed Woods selbstbewusst ausgelebter Transvestismus ist Thema des Films. Dadurch spricht aus der Inszenierung niemals ein herablassender Blick, wie er B-Film-Fans manchmal vorgeworfen wird, sondern immer eine große Wertschätzung für die Art von Künstlern wie Ed Wood einer war: die vielleicht wenig Talent haben, aber unheimlich viel Leidenschaft, dadurch unkonventionelle Entscheidungen treffen und manchmal des blinden Huhnes Korn finden, und vor allem: die das Filmemachen so lieben, dass sie sich nie einreden lassen würden, aufzugeben.

Mathis Raabe

The Player von Robert Altman & The Canyons von Paul Schrader

The Player (1992) von Robert Altman, nach einem Drehbuch von Michael Tolkin, der seinen eigenen Roman adaptierte, liefert eine Hollywood-Innenansicht, die davon erzählt, wie sich sogar die größten Idealisten korrumpieren lassen. Aus den Credos „No stars!“ und „No Hollywood ending!“ des britischen Schreibers Tom Oakley (Richard E. Grant) wird so zum Beispiel im Endeffekt ein Film, in dem ein heroischer Bruce Willis eine still leidende Julia Roberts in allerletzter Minute vor der Todesstrafe bewahrt.

Den besten Auftritt in The Player hat zweifelsohne Whoopi Goldberg als Polizistin Susan Avery. Als der Produzent Griffin Mill (Tim Robbins) zu ihr meint, in einem seiner Projekte spiele Scott Glenn gerade „a detective much like yourself“, entgegnet Susan trocken: „Is he a black woman?“ Dass People of Color für viele Rollen in Hollywood-Produktionen gar nicht erst in Betracht gezogen werden, ist bis heute eine beschämende Tatsache.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Auch die Geringschätzung der eigenen Kunst im Hollywood-Betrieb wird von Altman und Tolkin treffend vermittelt. Die Entscheider:innen sind schlichtweg „too busy“, um tatsächlich selbst mal ins Kino zu gehen; es mangelt ihnen an der Bereitschaft, kreativ und mutig zu sein. “ An einer Stelle von The Player wird gar darüber nachgedacht, bei der Entwicklung von Filmen einfach auf Drehbuchautor:innen zu verzichten. Ein Gedanke, der durch ChatGPT und andere künstliche Intelligenzen noch mal an Aktualität gewonnen hat.

Eine ähnliche Schonungslosigkeit gelang dem Duo Paul Schrader (Regie) und Bret Easton Ellis (Skript) in ihrer zu Unrecht verrissenen kalifornischen Psycho-Soap The Canyons (2013), in der nur noch aus Langeweile und Machthunger Filme produziert werden.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

In der pointiertesten Passage des Werks fragt das gestrauchelte Model Tara (Lindsay Lohan), das sich an der Entstehung eines Films beteiligt hat, ihr in der Film-PR-Branche tätiges Gegenüber (Amanda Brooks): „Do you really like movies? […] When was the last time you went to see a movie in a theater?“ Eine zufriedenstellende Antwort auf ihre Frage erhält Tara nicht. Die Bilder leer stehender, zerfallender Lichtspielhäuser, mit denen Schrader uns konfrontiert, sprechen allerdings für sich.

Andreas Köhnemann

Nope von Jordan Peele

Nope ist sicherlich kein Film für jedermann. Die Geschichte um ein Ufo, das sich in den Wolken versteckt und Menschen aufsaugt, ist schon sehr eigenwillig: Wer einen handfesten Horrorfilm erwartet, den gilt es zu enttäuschen. Im Grunde hat Jordan Peele einen Abenteuerfilm gedreht, in dem auch die Sichtbarkeit von Filmschaffenden diskutiert wird: People of Color haben immer schon im Business gearbeitet. Die Anerkennung dafür haben sie lange Zeit nicht erhalten. Dieser Rassismus grasiert noch bis heute: Schwarze sind Dealer, Verbrecher und Gangster. Nope stellt aber auch die Frage, ob die neue Sichtbarkeit die Gefahr birgt, in eine andere Abhängigkeit zu stürzen, weil die Bilder der Diversität benutzt werden: Die eigene Geschichte wird dann von einer Aufmerksamkeitsmaschine buchstäblich gefressen und verschlungen.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Das ist allerdings nur die eine Seite. Nope kann auch als Film über das Kino, über den Clash der analogen und der digitalen Kultur gelesen werden. Schon das erste Bild zeigt die Projektion der ikonischen Pferdeaufnahmen, die in der Tat von einem Schwarzen aufgenommen wurden: Es gibt diesen Moment, in dem sich alle vier Hufe in der Luft befinden. Das Beobachten, das Vergrößern und Reflektieren liegt in der Kunst des Kinos. Heute allerdings haben die Bilder uns überrannt, beherrscht und ein Dispositiv der Sichtbarkeit und der Aufmerksamkeit, weil die Kamera immer und überall dabei ist. Sind YouTube-Videos auch Film? TikTok? Wenn die alte Technik in Nope schließlich zur Waffe gegen das Alien wird, dann gibt Peele ein deutliches Statement für die Welt des Kinos ab. Wundervoll. 

Sebastian Seidler

Meinungen