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Nachflimmern: Die Goonies

Ein Beitrag von Sebastian Seidler

„Die Goonies“ sind eine Einladung in ein Gefühl der Kindheit, das wir auch als Erwachsene dringend nötig haben. Ein empathisches Nachflimmern über Richard Donners fabelhaften Abenteuerfilm.

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Goonies

Jede Woche erscheinen auf den bekannten Streaming-Plattformen Unmengen von Filmen. Wir können uns vor Geschichten, Filmen und Serien, ja vor Bildern gar nicht mehr retten. Doch wenngleich es so scheint, als wäre alles nur einen Klick entfernt, gibt es am Rande dieser Masse immer noch Filme, die kurz vor dem Vergessen stehen und dabei so schön hell und verlockend flimmern. Manche werden wahrgenommen, aber nicht angerührt, weil Vorurteile bestehen. Gründe dafür können Inhalt, Ästhetik oder Gattung sein. Wenn man Kinder hat, dann wird man mitunter mit der eigenen filmischen Seh-Vergangenheit konfrontiert. Nicht selten zerfallen die Filme der eigenen Kindheit unter dem erwachsenen Blick, verwandeln sich in nostalgische Bildwelten, die einen nur an die eigene Kindheit erinnern. Bei den „Goonies“ ist das anders: Hier erstrahlt immer noch alles im lebensbejahenden Abenteuer.

Okay. Nicht alles. Schieben wir die Kuh also gleich am Anfang vom Eis: Selbstverständlich ist vieles bei Die Goonies aus der Zeit gefallen, mitunter gar sexistisch. Das Frauenbild – nun ja – stammt aus den 80ern. Der Film ist eben auch ein Dokument seiner Zeit. Darüber könnte man viel schreiben. So sind die Jungs ganz klar die Helden und Beschützer der Mädels im Film. Das ist schade. Nur sollte man bei aller berechtigter Kritik nicht vergessen, dass dieses Kinderabenteuer auch eine Ode an die Außenseiter ist.

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Die Freundschaft zwischen Chunk (Jeff Cohen) und Sloth (John Matuszak), dem weggesperrten Kellerkind der Gangsterbande, ist so voller Wärme, dass man die Fahne für diesen Film gar nicht hoch genug halten kann. Es gibt kaum einen besseren Film, um mit seinen Kindern über Gruppendynamiken, gegenseitige Anerkennung und Ungerechtigkeit zu sprechen. Ich bin mit Filmen dieser Art groß geworden und habe mich vor allem in das Kino verliebt und all die unterschiedlichen Geschichten. Niemals wurde da ein einziges homogenes Rollenmodell gesetzt. Aber langsam, langsam. Das geht hier alles viel zu schnell. Zurück zu den Goonies.

Schnell soll es auch im Film gehen: Ein ganzes Wohnviertel wird wohl einem Country-Club weichen müssen. Ein skrupelloser Immobilienhai hat die Zwangsvollstreckung bereits veranlasst. Die betroffenen Familien haben nicht das nötige Geld, und offenbar fehlt auch die Kraft, sich mit dem Kapital nachhaltig anzulegen. Für die Kinder der Nachbarschaft ist das eine Katastrophe. Insbesondere für die Gang um Mikey (Sean Astin), die sich Goonies nennt. Sie verlieren nicht nur ihr Zuhause, sondern ein ganzes Leben. Auf dem Dachboden finden die Jungs schließlich eine Schatzkarte, die zur Beute eines legendären Piraten führen soll. Der Eingang in das Höhlensystem liegt allerdings in einer alten Gaststätte, in der eine Gangsterfamilie ihr Versteck aufgeschlagen hat. Als wären diese finsteren Gestalten nicht bereits genug, lauern auf dem Weg noch Fallen, die selbst einen Indiana Jones vor Probleme stellen würden.

Goonies in Gefahr. © Warner-Columbia

Piraten, Gangster und Geheimnisse. Dazu herrlich skurrile Charaktere. Es ist wahrlich ein bunter Cocktail kindlicher Fantasie, den Steven Spielberg (Produktion), Chris Columbus (Drehbuch) und Regisseur Richard Donner hier angerührt haben. Data mit seinen halbgaren Erfindungen, die er unter seinem Mantel versteckt hält, als wäre er Inspektor Gadget höchstpersönlich. Der tollpatschige Chunk, der in den Fängen der Gangster zur Höchstform aufläuft und alle seine Vergehen beichtet, die alle herrlich komisch sind. Und der großmaulig-verletzliche Mouth (Corey Feldman), der immer einen doofen Spruch parat hat, der womöglich die einzige Art und Weise ist, wie er Zuneigung zeigen kann. 

Als Kind verschlang ich die Drei ???-Bücher. Besonders liebte ich die unter Schrottbergen versteckte Zentrale, zu der mehrere geheime Zugänge führen. Gänge und Falltüren, das sind die Portale zu einer Verzauberung der Welt. Ein Stock ist in den Augen der Kindheit immer auch eine Schlange, ein Schwert oder eben ein Schlüssel. Richard Donner und sein Team haben das Piratenschiff-Set vor den Kinderdarstellern geheimgehalten. Der Ausdruck in den Augen der Goonies, wenn sie das riesige Schiff zu ersten Mal sehen, ist nicht gespielt. Und bis heute gehen Kindern bei dieser Szene die Augen auf – versteckt unter der Erde, geschützt von Fallen und nur über eine Felsrutsche erreichbar, liegt das Gefühl des Abenteuers.

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E.T. und Stand by Me gehören für mich in dieselbe Kategorie. Sie funktionieren bis heute; verzaubern jede Generation aufs Neue. Und doch – damit kommen wir wieder zurück zur Kuh und dem Eis – fällt auf, welche Rolle hier Jungs so selbstverständlich spielen durften. Damit soll nicht gesagt werden, dass sich nicht auch Mädchen mit diesen Lebenswelten, Gefühlen und Stimmungen identifizieren können. Mädchenbanden und weibliche Abenteuer wurden allerdings anders vorgestellt und sind bis heute noch eher von Bibi & Tina geprägt. Dabei hat der Zauber des Abenteuers kein Geschlecht. Das beweist der großartige, zeitgemäße Königin von Niendorf von Joya Thome, in dem eben genau das zum Thema gemacht wird und ein Mädchen sich den Zugang zur Jungsbande erst erarbeiten muss.

Die Karte führt ins Abenteuer. © Warner-Columbia

Die Goonies belebten meine Fantasie, ließen mich mit Freund*Innen die Wälder durchstreifen, uns in Maisfeldern verirren und Geheimnisse in jeder Felsspalte vermuten. Wir haben leider kein Piratenschiff entdeckt. Aber die Freiheit der Bilder durchlebt. Das geht irgendwann verloren. Man nennt es Erwachsenwerden. So viel wäre gewonnen, wenn wir uns in unserem Alltag ein wenig mehr Goonies erlauben würden, statt uns den Zauber dieses Films einfach bloß aufgewärmt servieren zu lassen. 

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