Alice Rohrwachers Land der Wunder lief 2014 im Wettbewerb von Cannes — aber jetzt wirkt er wie ein Film zur Stunde. Eine der Figuren ist ein deutscher Alt-68er, der inzwischen einen Bauernhof in Umbrien betreibt und an alle möglichen Verschwörungstheorien glaubt. Deswegen wird er zum Selbstversorger, verbietet seinen Kindern den Umgang mit fast allem, was Gleichaltrige mögen und terrorisiert seine Familie tagein, tagaus.

Doch Land der Wunder ist eigentlich ein Coming-of-Age-Film — und so setzt Rohrwacher dem Unsympath seine 12-jährige Tochter Gelsomina entgegen, die die finanziell gebeutelte Familie auf eigene Faust bei einem Fernsehwettbewerb anmeldet. Die in Europa so ungleich verteilten Machtverhältnisse und die Bürokratiewüste der EU, die Auswirkungen der Finanzkrise und der Ausverkauf des italienischen Kulturerbes — all das sind Themen, die Alice Rohrwacher in ihrem Film verhandelt. Umso beeindruckender, dass Land der Wunder dennoch in erster Linie als sinnlicher Sommerfilm in Erinnerung bleibt, den ein Hauch mythischer Weiblichkeit durchweht: Monica Bellucci taucht in einer Nebenrolle als etruskisches Halbgöttinnenwesen auf, Staubkörner tanzen im goldenen Sonnenlicht und Gelsomina spricht zu den Bienen.

Land der Wunder steht noch bis zum 23. Mai 2020 in der Arte Mediathek.