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Streaming-Tipps

Streaming-Tipp des Tages für Kinder: Wo die wilden Menschen jagen

Ein Beitrag von Rochus Wolff

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Wo die wilden Menschen jagen - Clip 1 (deutsch)

Ricky Baker ist kein einfaches Kind. Durchgereicht von Pflegeeltern zu Pflegeeltern, Einrichtung zu Einrichtung, hat er jetzt eigentlich nur noch eine Chance. Bella will ihn aufnehmen, auf ihrer etwas runtergekommenen Farm irgendwo im neuseeländischen Busch. Ihr Mann Hec ist auch nicht so begeistert über den schlecht gelaunten Teenager, der eigentlich Gangster werden will. Aber Bella, auch sie wirkt etwas ungelenk mit Menschen, ist dann in ihrer Direktheit doch genau die richtige Person, bei der Ricky sich wohlfühlen kann… Bis das Unglück plötzlich in diese werdende, seltsame Familie eingreift, Ricky mit dem mürrischen Hec auf einmal im Busch festsitzt, eins kommt zum anderen, und plötzlich sucht die halbe Polizei des Landes nach ihnen, weil man Hec für einen Verbrecher hält und Ricky für sein Opfer.

Es gibt wenig Filme in den vergangenen Jahren, die so komisch und traurig zugleich sind, so witzig inszeniert und trocken im Ton. In diesem Film steckt alles drin: Große unausgesprochene Liebe, wüst ausgesprochene Beschimpfungen. Jede Menge Haikus. Zwei tote Wildschweine. Bellas Geburtstagslied für Ricky bekommt man noch Tage nicht aus dem Kopf.

Man kann diesen beglückenden Irrsinn eigentlich nicht wirksam beschreiben, ohne komische Dinge zu verraten, die sich ohne Kenntnis des Films gar nicht erschließen. Wie enorm witzig zum Beispiel die Sätze „Dann ist es kein Selfie, du Löffel.“ oder „Busch – Mann – Buschmann!“ sind. Eben, versteht man so nicht.

Vielleicht hilft es zu wissen, dass der Regisseur Taika Waititi heißt, der sogar einen Marvel-Film (Thor: Tag der Entscheidung) noch mit seiner sehr persönlichen Eigenartigkeit durchwirken konnte; vor Wo die wilden Menschen jagen gab es von ihm noch das Vampirmockumentary 5 Zimmer Küche Sarg. In diesem Film, der vielleicht ein wenig Coming-of-Age-Drama ist, parodiert er womöglich wie nebenher die Kapitelstruktur, die Quentin Tarantino seinen Filmen so gerne gibt, spielt meisterhaft mit visuellen Kontrasten, lässt alle Genrekonventionen, mit denen man so rechnet, gegen die Wand fahren, und schenkt seiner jugendlichen Hauptfigur dann am Schluss noch einmal ganz großes Gangsterkinoklischee, Verfolgungsjagd im Auto inklusive. Sensationelles Kino.

(FSK 12, empfohlen ab 12 Jahren; fast überall als VoD)

 

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Mit dieser Besprechung enden zunächst einmal meine täglichen Streaming-Tipps für Kinder hier auf kino-zeit.de. Insgesamt einhundert Vorschläge für spontan ansetzbare Filmabende habe ich bis hierher gemacht – das möge als Ideenquelle auch für die Sommerferien, die jetzt nach und nach beginnen, hoffentlich noch genügen. Wenn der Herbst sich nähert, geht es hier womöglich mit neuen Tipps weiter, bis dahin brauchen wir alle ein wenig Erholung und sollten genießen, dass wir uns draußen bewegen können, wo die Viren nicht so viral sind und die Augen auch mal ohne Bildschirm in die Ferne schweifen können.

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